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EurokolumneBanger Blick nach Karlsruhe

Eric Bonse
Kolumne
von Eric Bonse

Sparpakete und Reformen haben bis jetzt wenig geholfen: Die einzige funktionierende Institution in der Eurokrise ist die EZB.

Wenn nichts mehr hilft, hilft vielleicht die EZB. Bild: dpa

D ie Entscheidung der Karlsruher Richter hätte das sofortige Ende des Euro bedeuten können. Schließlich ging es um nichts Geringeres als das umstrittene Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auf dem Höhepunkt der Eurokrise hatte es Spekulationen gegen den Euro und wichtige Länder wie Italien und Spanien beendet. Die bloße Drohung der EZB, Staatsanleihen durch massive Ankäufe zu stützen, hat 2012 mehr zur Rettung des Euro beigetragen als alle Spar- und Reformprogramme zusammen.

Doch mit mehreren Klagen wollten deutsche Prinzipienreiter das EZB-Programm kippen. Überraschend erklärten die Richter des Bundesverfassungsgerichts, der Europäischen Gerichtshof in Luxemburg solle entscheiden. Auf den ersten Blick klingt dies wie weise: Zum ersten Mal überhaupt und seit Beginn der Eurokrise hat das oberste deutsche Gericht die Zuständigkeit des EuGH anerkannt.

Damit, so hoffen viele in Brüssel, ist der unselige deutsche Sonderweg beendet. Aus Angst vor negativen Urteilen in Karlsruhe hatte Berlin viele wichtige Entscheidungen auf die lange Bank geschoben – oder ganz verhindert.

Basta mit der Krise

Dies trieb nicht nur die Kosten der Krise in die Höhe, es hat diese auch unnötig verlängert. Die zweite Hoffnung ist, dass der EuGH die Klagen abweist und das sogenannte OMT-Programm durchwinkt. Dann wäre es mit höchsten Weihen versehen, EZB-Chef Mario Draghi hätte freie Bahn, weiter mit Eingriffen in den Markt zu drohen Die Eurozone wäre sicher gegen spekulative Attacken, basta mit der Krise.

Doch ist das wirklich so? Daran darf man stark zweifeln. Denn die roten Roben in Karlsruhe haben den Fall nicht kommentarlos nach Luxemburg abgegeben. Sie äußerten unüberhörbar ihre Meinung: „Vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist der OMT-Beschluss nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Primärrecht unvereinbar.“ Unvereinbar, also rechtswidrig, und deshalb auch nicht wirksam? Das ist nun die bange Frage, die sich Experten stellen.

Und die Antworten fallen alles andere als beruhigend aus. Von einem „GAU für die EZB“ spricht Zeit-Redakteur Mark Schieritz in seinem Blog „Herdentrieb“. Die Überweisung nach Luxemburg sei nicht etwa ein Akt der Unterwerfung, sondern Zeichen eines Herrschaftsanspruchs der Karlsruher Richter – Motto: Wenn die Europäer unserer Meinung nicht folgen, dann muss Deutschland eben aus dem Rettungsprogramm aussteigen. Das wäre dann wohl das Ende.

Die Richter in Luxemburg schweigen

Noch bedenklicher klingt die Analyse von Marcel Fratzscher, Chef des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Karlsruhe hätte der EU und Deutschland einen Bärendienst erwiesen, denn sie hätten der EZB Ketten angelegt – zumindest bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs könne die Zentralbank sich nun nicht mehr schützend vor Krisenländer werfen.

Wer hat nun recht, Optimisten oder Pessimisten? Schwer zu sagen. Diejenigen, die es wissen müssten – die Richter in Luxemburg –, schweigen. Das Urteil des EuGH und eine mögliche Reaktion des Bundesverfassungsgerichts werden erst im Frühjahr 2015 erwartet. Frühestens dann gibt es Gewissheit. Die Unsicherheit wäre allerdings nicht so groß, wenn sich Berlin von Anfang an eindeutig hinter Draghi und die EZB gestellt hätte. Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble sind jedoch ausgewichen.

Bis heute haben sie nicht zugegeben, dass die EZB die einzig funktionierende Institution in der Eurokrise ist. Und dass Draghis Drohung der alles entscheidende Befreiungsschlag war. Lieber halten sie den Mythos aufrecht, das Kürzen von Sozialleistungen und das Drücken von Löhnen habe den Euro gerettet. Und noch lieber verstecken sie sich hinter der Bundesbank und dem Bundesverfassungsgericht, die beide eindeutig gegen den aktuellen EZB-Kurs sind. Der deutsche Sonderweg geht also weiter, jedenfalls in Berlin.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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6 Kommentare

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  • EM
    Emil Müller

    Kurze Ergänzung:

    Private debt is a debt, but government is FINANCIAL WEALTH to the private sector(jedenfalls bei keiner Auslandsverschuldung in fremder Währung und bei außenwirtschaftlichem Gleichgewicht; R. Wray, einer der Pioniere von Modern Monetary Theory).

    Den USA gelingt es bisher, sich auch im Ausland in eigener Währung zu verschulden, so dass sie keine Schwierigkeiten haben bei Zinszahlung und Tilgung.Die Staatshaushaltsprobleme und die Schuldenobergrenze sind hausgemacht; sie lassen sich einfach korrigieren, wenn der Gesetzgeber die gesetzliche Selbstfesselung beseitigen würde und Wall Street das erlauben würde, was zu bezweifeln ist.

  • EM
    Emil Müller

    Wirklich die einzige funktionierende Institution in der EU. Und das BVG? Drückt sich vor echten Verfassungsfragen und kümmert sich um Dinge, die es nichts angehen, und das ohne jegliche Sachkenntnis . Bei Schuldenbremse und Fiskalpakt war das BVG gefragt, aber da hat es diese unausgegorenen Gesetze schlicht durchgewinkt, wo es sie eigentlich hätte ablehnen müssen. Nun ist es ja auch laut Statistik amtlich: Die Staatsschulden steigen WEGEN Schuldenbremse und Fiskalpakt, nicht nur in der EU! Wenn jemand sagt, er habe 100 000 Euro gespart, weil er sich ein teures Auto nicht gekauft hat, dann klingt das absurd. Meint Sparen doch, dassman nicht alle Einnahmen ausgibt, sondern etwas zurücklegt, eben spart. Dabei ist das auch die Logik der Politiker, wenn sie von Sparhaushalten reden. Auch da wird nicht gespart, da werden nur Ausgaben gestrichen. Und bei Schuldenbremse und Fiskalpakt dieselbe Logik. Und bei der Formulierung dieser Gesetze hat man zur Freude der Neoliberalen, die den Staat finanziell aushungern wollen, die zweite Seite der Buchhaltung vergessen, die Einnahmenseite (Verbot von Steuersenkungen, Gebot von Steuererhöhungen mit umverteilender Wirkung von Oben nach Unten)So etwas wirkt bei nachlassender Konjunktur prozyklisch, krisenverschärfend. Kriegt der Ausgabenmultiplikator ja nun ein negatives Vorzeichen und greifen die automatischen Stabilisatoren, und es geht bergab mit der Wirtschaft. Aber so etwas wie Grundsätze von Buchhaltung und Bilanzierung brauchen das BVG nicht zu kümmern, nan schwebt über solchen banalen Dingen des Alltags, macht sich lieber lächerlich mit Urteilen über Dinge, die einen nichts angehen.

  • D
    DJ_rainbow

    Was für ein Kraut (von welchem Bahndamm?) muss man eigentlich rauchen, um den ständigen institutionalisierten Rechtsbruch der EZB als "funktionierend" einstufen zu können?

     

    Dass die gesamte Brüsseler Kleptokratenhorde demokratisch nicht legitimiert ist, sei nur am Rande erwähnt.

  • K
    Kompliziert

    So zu tun als hätten die Massnahmen von Draghi die Krise beendet, ist ein wenig blauäugig gegenüber dem Lobbyismus innerhalb der europäischen Gremien. In erster Linie hat er den Spekulanten geholfen, mit billigem Geld, Ihre Verluste abzufedern. Das kann man sehr schön an den heutigen Gewinnspannen der damaligen "Krisenbanken" beobachten.

  • L
    lärche

    Die EU ist Betrug - von hinten und vorne ist das ein korrupter Laden - da gibts nix schönzureden

  • NS
    Na sowas

    "Die einzige funktionierende Institution in der Eurokrise ist die EZB."

     

    Eine kühne These. wenn man sich nicht an Gesetze und Regeln halten muss, funktioniert alles irgendwie.