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EuGH-Urteil zu Facebooks Like-ButtonsWehrlosigkeit weiter wegklicken

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Urteile zum Datenschutz sind lediglich Nadelstiche gegen eine riesige und profitable Maschine. Es braucht ein viel radikaleres Vorgehen.

Es gibt kein Entrinnen Foto: dpa

D ie Daten, die beim Besuch von Kund*innen auf der Webseite eines Modehauses anfallen, dürfen also nicht einfach stillschweigend an Facebook weitergereicht werden. Wer auf der eigenen Seite den Like-Button einbindet, trägt auch die Verantwortung dafür, dass der nach Hause telefoniert. Der EuGH stellt das Offensichtliche fest.

Und nun? Wir können uns freuen auf noch mehr Layer, die, wie der Cookie-Hinweis beim Aufruf von Webseiten, gedankenlos weggeklickt, die Einwilligung in Sammlung und Verarbeitung privatester Daten annoncieren.

Denn dass Daten gesammelt, gespeichert, gehandelt und verarbeitet werden, bleibt ja prinzipiell legal. Die Möglichkeiten gerichtlicher Einflussnahme beschränken sich im Wesentlichen auf kleine Eingriffe an einer kom­plexen Maschinerie, die sich in ihrer ­wesentlichen Funktionsweise kaum stoppen lässt. Die gewaltigen Profite dieser ­Maschine und ihre allumfassende Durchschlagskraft werden durch kein Gesetz und kein Urteil angefasst.

Der juristischen Kontrolle über Privatsphäre, Datenschutz und Überwachung beschied Vance Packard bereits 1964 in seinem Standardwerk „Die wehrlose Gesellschaft“, dass sie sich in einem Zustand der „Verwirrung, Unschärfe oder Vernachlässigung“ befinde. In dem halben Jahrhundert, das seit Packards Analysen vergangen ist, schrumpfte der private Schutzraum mit fortschreitender Digitalisierung bis zur Unkenntlichkeit zusammen.

Das Interesse an noch den intimsten Details über den vernetzten Menschen ist bei staatlichen wie privatwirtschaftlichen Akteur*innen derweil gleichermaßen groß. Bedient wird der Datenhunger durch uns selbst – die bisweilen im Detail kritischen, insgesamt aber eher gleichgültigen Nutzer*innen.

Solange diese Realität gesellschaftlich und politisch nicht hinreichend erfasst und bewertet ist, bleibt auch Gerichten nur, gelegentlich kosmetisch zu korrigieren. Immerhin ist jede dieser kleinen Korrekturen ein Hinweis auf das grundlegendere Problem. Er muss nur gehört werden. Oder es wird halt wie immer einfach weggeklickt.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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5 Kommentare

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  • Man kann es auch übertreiben. Datenschutz ist gut und wichtig, doch auch die Datenschutzerklärung und der Cookie-Hinweis werden einfach weggeklickt.

  • Liebe taz. Und ich meine das "liebe" ernst.

    Ich versuche es noch einmal.

    Eure Seiten sind auch mit Google-Käfern verseucht (googletagmanager, doubleclick, etc.). Somit verkauft Ihr auch meinen Arsch [0] (naja, meine Klicks) an Google.

    Ich verstehe durchaus, warum das so ist: vermutlich kein IVW ohne das, dann keine (oder nur die Hälfte) der Werbeeinnahmen. Das will ich auch nicht. Schliesslich habe ich auch Genossenschaftsanteile bei Euch und will von der Dividende leben [1].

    Aber ich würde mir sehr gerne eine offene Diskussion darüber bei Euch wünschen. Wer, wenn nicht Ihr? Wann, wenn nicht jetzt?

    [0] Nein, weil ich mich zu wehren weiss. Mein Browser spricht Javascript nur sehr gebrochen.

    [1] Nein, nicht im Ernst. Die Dividende wäre, dass es Euch weitergibt!

    • Moderation , Moderator
      @tomás zerolo:

      Lieber Tomás,

      danke für deine Hinweise; und vielen Dank, dass du der taz treu bleibst! Uns ist dieses Thema durchaus bewusst, immer wieder diskutieren wir darüber und suchen nach Auswegen. Aber wie du schon schreibst: IVW, VG-Wort und ähnliche Dienste brauchen wir einfach, um uns zu finanzieren.

      Da du dir ja zu helfen weißt, müssen wir dir jetzt keine Do-Not-Track-Software empfehlen. Möglicherweise ist das Thema bisher nicht transparent genug diskutiert worden, wir könnten das in unserem Hausblog nachholen.

      Viele Grüße aus der taz

      Nicola Schwarzmaier (Abteilung Digitale Transformation)

      • @Moderation :

        Hey, danke für die nette Antwort!

        Eine breitere (und durchaus praktisch/philosophische) Diskussion wäre mir da sehr lieb.

        Ich beobachte, wie diese massive Industrie über "convenience" die BenutzerInnenschaft immer mehr einlullt -- und die notwendige Diskussion in Konsumsauce erstickt. Da wäre Eure Stimme wichtig :)

  • Zitat: „Wir können uns freuen auf noch mehr Layer, die, wie der Cookie-Hinweis beim Aufruf von Webseiten, gedankenlos weggeklickt, die Einwilligung in Sammlung und Verarbeitung privatester Daten annoncieren.“

    Das ist vermutlich richtig. Facebook nutzt ja schließlich nur eine Kulturtechnik, die längst eingeübt ist und die bisher niemand in Frage stellt.

    Wo immer ein irgendwie geartetes Machtverhältnis besteht, kann die Frage nach der Verantwortung nur schleunigst weggeklickt werden, wenn sie auftaucht. Vor einer OP zum beispiel, in deren Vorfeld sich die Klinik vom Patienten jede Verantwortung mit einer Unterschrift abnehmen lässt, bevor sie auch nur einen Handschlag tut. Oder beim Autokauf, bei dem der Händler dem Kunden am entscheidenden Tag einen 50-Seiten-Stapel Kleingedrucktes auf den Tisch legt. Und auch am Wahltag, an dem „die Politik“ dem Wähler nur eine Wahl lässt: Friss, Vogel, oder stirb.

    Dass Daten gesammelt, gespeichert, gehandelt und verarbeitet werden, bleibt prinzipiell legal. Muss auch. Mit jeder anderen Entscheidung hätte der EuGH die Systemfrage gestellt: Dürfen Machthaber ihre Privilegien missbrauchen? Und wer ist der EuGH, dass er das anders beantworten dürfte, als die Gesetze es derzeit hergeben? Der EuGH macht die Gesetze nicht. Er legt sie nur aus. Gemacht werden die Gesetze von den gewählten Politikern. Die aber sind Volksvertreter in einer Demokratie. Und wenn das Volk „Ja“ sagt zum Prinzip, und sei es auch nur an einem Sonntag alle vier Jahre, dann muss auch der Gerichtshof wollen. Das Volk ist schließlich Souverän in einer Demokratie.

    Momentan will „der Souverän“ offensichtlich von den Krümeln leben, die abfallen, wenn irgendwelche Maschinen allumfassende Durchschlagskraft entwickeln und gewaltige Profite abwerfen. Auch, weil er sich 55 Jahre nach Vance Packard immer noch in einem Zustand der Verwirrung, Unschärfe und/oder Vernachlässigung“ befindet. Danke, werte Kommunikationsprofis! Aber vermutlich habt ihr mich ja schon weggeklickt.