Eskalierende Proteste im Irak: Gewalt schockiert Demonstranten
Seit Anfang Oktober sind bei den landesweiten Protesten schon 250 Protestierende gestorben, mehr als 6.000 wurden verletzt.

In Bagdad und anderen Städten strömten Zehntausende Menschen auf die Straßen. Seit Anfang Oktober protestieren sie gegen die Korruption der Regierung und fordern die Absetzung des Premierministers Adel Abd al-Mahdi.
Von Anfang an sind die Demonstrationen mit massiver Gewalt bekämpft worden. Neben dem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern gibt es Berichte über Scharfschützen, die auf Demonstranten geschossen haben sollen.
250 Menschen sind seit Anfang Oktober gestorben, über 6.000 wurden verletzt. Diese Gewalt hatte niemand erwartet, sagt eine Journalistin zur taz. Ihren Namen will sie nicht nennen: Anfang Oktober wurden Fernsehstationen, die über die Demonstrationen berichteten, von Unbekannten gestürmt.
Erinnerung an die Diktatur von Saddam Hussein
Journalisten und Aktivisten erhielten Todesdrohungen. „Dabei sollte diese Regierung doch demokratisch sein“, sagt sie. Was sie sehe, erinnere sie eher an die Diktatur von Saddam Hussein.
Eine Erklärung für die Brutalität ist, dass die irakischen Sicherheitskräfte ausgebildet wurden, um gegen Terroristen Krieg zu führen – nicht, um mehrheitlich friedliche Demonstrationen aufzulösen.
Hinzu kommt, dass neben der Polizei und der Armee zahlreiche mehrheitlich schiitische Milizen existieren. Viele Demonstranten machen vor allem sie für die Gewalt verantwortlich. Offiziell unterstehen die meisten Milizen der Regierung.
Tatsächlich erhalten viele ihre Befehle aus Teheran. Viele Aktivisten vermuten, dass der Iran sich einmischt und versucht, die aktuelle Regierung zu schützen.
Sorge vor Krieg zwischen schiitischen Fraktionen
Einige Aktivisten fürchten sich davor, dass aus den Protesten ein Krieg zwischen verschiedenen schiitischen Fraktionen werden könnte. Dann etwa, wenn sich die Stämme von Todesopfern gegen die Sicherheitskräfte wenden, oder die Miliz des radikalen Predigers Muqtada as-Sadr, der zwar in der Regierung sitzt, sich aber demonstrativ auf die Seite der Proteste schlug, zu den Waffen greift.
Bisher konnte die Regierung die Demonstrationen nicht eindämmen. „Ich bin bereit, für mein Land zu sterben“, sagte der Aktivist Ali Amer Almikdam Anfang Oktober. Daran hat sich nichts geändert. Er floh für kurze Zeit nach Erbil, nachdem Unbekannte seine Wohnung demolierten. Nun ist er zurück in Bagdad.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!