Eskalation in Nicaragua: Ortega ruft zur letzten Schlacht

In Nicaragua ist der Dialog vorbei. Stattdessen bläst die Regierung zur Offensive gegen die Oppositionellen. Die halten weiterhin Straßen blockiert.

Rosario Murillo, in buntem Kleid und mit vielen Ringen an der Hand, und Daniel Ortega in blauer Strickjacke winken von einer Bühne.

Vizepräsidentin Rosario Murillo mit Ehemann und Präsident Daniel Ortega am Samstag in Managua Foto: reuters

WIEN taz | „Daniel Ortega verbrennt die letzten Brücken.“ So interpretiert Carlos Fernando Chamorro, einer der prominentesten Journalisten Nicaraguas, die Rede des Staatspräsidenten am vergangenen Samstag.

Begleitet nur von seiner Frau, den zahlreichen Kindern und Dutzenden schwer bewaffneten Polizisten, trat Ortega seit vielen Wochen erstmals wieder an die Öffentlichkeit. In einem Rundumschlag gegen seine ehemaligen Bündnispartner in der Kirche und dem Unternehmerverband kündigte er de facto den bereits suspendierten Dialog auf, bei dem es um eine Vorverlegung der Wahlen zur Demokratisierung des Landes und einem unblutigen Regierungswechsel gehen sollte.

In dem Auftritt vor mehreren zehntausend aus allen Landesteilen herbeigekarrten öffentlichen Angestellten und tatsächlichen Parteigängern warf er den Unternehmern vor, „den Terrorismus“ zu finanzieren und wetterte gegen alle, „die uns im Namen religiöser Institutionen verwünschen“. Von einer Vorverlegung der Wahlen, die er Delegierten aus den USA und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bereits zugesagt hat, war keine Rede.

Seit Mitte April tobt in Nicaragua ein großteils unbewaffneter Aufstand, dem Regierungskräfte mit scharfer Munition und dem Einsatz paramilitärischer Kräfte begegnen. Die Bilanz der Todesopfer bewegt sich auf die 300 zu.

„Abgemagert und vorzeitig gealtert“

Silvio Báez, Weihbischof von Managua, reagierte schnell: „Wir haben keine Angst“, ließ er wissen. Der Schriftsteller Sergio Ramírez, während der Sandinistischen Revolution in den 1980er Jahren Vizepräsident an der Seite Ortegas, bescheinigt dem Auftritt seines einstigen Freundes Verzweiflung. „Abgemagert und vorzeitig gealtert“ habe der sich präsentiert. Trotz der Durchhalteparolen habe er in seinem Gesicht eher Niederlage als Siegesgewissheit gesehen.

Der Auftritt hätte eigentlich als Höhepunkt des „taktischen Rückzugs“ in der knapp 30 Kilometer entfernten Stadt Masaya erfolgen sollen. Jedes Jahr wird Ende Juni dieses taktische Ausweichmanöver der sandinistischen Guerillatruppen vor dem finalen Schlag gegen die Somoza-Diktatur 1979 mit einem Marsch nach Masaya begangen. Doch Masaya ist heute in der Hand der Protestbewegung. Der Marsch wurde nicht nur mehr als eine Woche verschoben. Er kam wegen der zahlreichen Straßensperren der Aufständischen gar nicht aus Managua hinaus.

Obwohl eine Abordnung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) im Lande ist und die Greueltaten der vergangenen Monate dokumentiert, werden weiterhin täglich Demonstranten erschossen. Staatsangestellte, die sich der Zwangsmobilisierung verweigern, werden entlassen. Täglich verschwinden weitere Regimegegner in Geheimgefängnissen.

An die sandinistischen Parteigänger ergehen Aufrufe, sich zu bewaffnen und an allen Gegnern Rache zu nehmen. In der Nacht von Montag auf Dienstag soll eine große Offensive beginnen, die mit den Barrikaden und Straßensperren aufräumen soll.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.