Eskalation beim Amateurfußball: Spieler tritt auf Fan ein
Beim Fußballspiel zwischen der dritten Mannschaft des HSV und dem FC Teutonia 05 hat ein Spieler auf einen Fan eingetreten. Nun ermittelt die Polizei.
HAMBURG taz | Weil ein Fußballspiel in der Landesliga Hammonia eskaliert ist, ermittelt nun die Polizei Norderstedt – wegen Körperverletzung. Beim Heimspiel der dritten Mannschaft des Hamburger SV gegen den Stadtrivalen FC Teutonia 05 trat ein Teutonia-Spieler auf einen am Boden liegenden HSV-Fan ein. Davon gibt es Fotos. Der Schiedsrichter brach die Partie ab. Vorher sollen HSV-Fans mit rassistischen Sprüchen gegen einen Teutonia-Spieler mit nigerianischem Migrationshintergrund gepöbelt haben. Der Teammanager des HSV III, Frank Schaube, bestreitet das: „Ich habe von denen noch nie etwas Rassistisches gehört.“
Die Fans der dritten Mannschaft des HSV gelten als politisch eher links. Viele von ihnen haben der Profimannschaft den Rücken gekehrt, nachdem diese vom Verein in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert wurde. Das Spiel gegen Teutonia sahen rund 180 Menschen. „Die Stimmung war eigentlich entspannt“, sagt ein HSV-Fan, der am vergangenen Freitag dabei war, aber anonym bleiben will.
Der HSV führte 3:0. Dann kam ein Teutonia-Spieler nach seiner Auswechslung auf dem Weg in die Kabine am Block der HSV-Anhänger vorbei. Jemand habe ihm „Alles fit im Schritt?“ zugerufen, sagt der Hamburg-Fan. Daraufhin habe der dunkelhäutige Spieler einen Fan wegen seiner Körperfülle beleidigt. „Einer hat dann gesagt: Wenn wir den Spieler so auf Äußerlichkeiten reduzierten, würden wir als Nazis beschimpft“, sagt der 26-jährige Fan. Daraufhin sei die Situation eskaliert.
„Der erste Schlag ging von dem Spieler aus, der ausgewechselt wurde“, sagt er. „Da stand ich drei Meter daneben.“ Dann seien Reservespieler, die sich neben dem Platz aufgewärmt hatten, dazu gekommen, später auch der Spieler, der den Fan am Boden trat. Die HSV-Spieler hielten sich raus.
Wenn AthletInnen oder Vereine grob die Regeln ihres Sports verletzen und sich unsportlich verhalten, verhandelt darüber ein Sportgericht.
Die Gerichte sind keine staatlichen Einrichtungen. Es urteilen in der Regel keine RichterInnen, die Vorsitzenden und BeisitzerInnen müssen nicht einmal Jura studiert haben. Es handelt sich vielmehr um SportexpertInnen, die von den Dachverbänden der Sportarten berufen werden.
Dachverbände betreiben die Sportgerichte, etwa der Deutsche Fußballbund und der Deutsche Eishockeybund.
Strafen können die Gerichte gegen SpielerInnen und Vereine aussprechen. Sie reichen von Geldstrafen, Spieler- oder Vereinssperren, die Aberkennung von Punkten sowie die Herabstufung in eine niedrigere Liga oder ein Tätigkeitsverbot.
Rechtlich grundlegend sind die Satzungen und Regeln der Dachverbände, die für alle Vereine gelten.
„Was der Spieler getan hat, war falsch“, sagt der Vorsitzende des Ottensener Vereins Teutonia, Diddo Ramm. Der Spieler wolle sich bei dem Fan entschuldigen. „Eigentlich ist er ein ruhiger Mensch“, sagt Ramm. Er habe in seiner ganzen Karriere nur zwei rote Karten bekommen. Der Gewaltausbruch habe jedoch eine Vorgeschichte gehabt: „Alkoholisierte HSV-Anhänger haben unsere dunkelhäutigen Spieler rassistisch angegriffen und beleidigt. Die Mannschaft ist daraufhin ihrem Spieler zu Hilfe gekommen“, schreibt Ramm in einer Erklärung.
Mittlerweile gebe es bei G-Jugend-Spielen einen Sicherheitsabstand, den Eltern zum Spielfeldrand einhalten müssten. Der Teutonia-Chef wünscht sich, dass auch im Amateurfußball Fans und Spieler stärker getrennt würden.
Das will auch der HSV III. Allerdings sei eine Trennung schwieriger als im Stadion umzusetzen, da der Platz so weitläufig sei, sagt Teammanager Schaube. Sein Verein werde dafür aber harten Alkohol von den Ständen rund um den Platz verbannen. Schon öfter seien Fans durch „verbale Entgleisungen“ aufgefallen – bisher allerdings nicht durch rassistische. „Trotzdem rechtfertigt keine Aussage diese Gewalt“, meint Schaube.
Der 26-jährige HSV-Fan ist von der Initiative seines Vereins nicht begeistert. „Es gab sicher einige Leute, die über ihre Möglichkeiten getrunken haben“, sagt er. Diese seien aber nicht an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen. „Wenn man jetzt den harten Alkohol verbietet, sieht es aus, als seien wir schuld an der Sache.“
Die Vereine wollen den Vorfall möglichst schnell aufklären – gemeinsam. Ein Video, dass die Szene zeigt, haben sie der Polizei und dem Hamburger Fußballverband weitergegeben. Ein Sportgericht (siehe Kasten) wird nun über den Fall urteilen. Der Teutonia-Spieler, der zugetreten hat, wurde intern gesperrt, aber nicht rausgeschmissen. „Er hat einen Fehler gemacht, sagt Ramm, „aber wir lassen ihn nicht einfach fallen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel