: Es gibt noch Geheimnisse
■ Einer der wenigen wahrhaft menschlichen Filme dieses Jahr: „Minazuki“ von Rokuro Mochizuki auf dem Filmfest
Als Suwa abends nach Hause kommt, steht sein Curry nicht in der Mikrowelle, seine Frau Sayoko ist weg und mit ihr all sein Erspartes. Suwa ist wütend und traurig und absolut nicht gewillt, die Polizei mit dieser Angelegenheit zu belästigen: Es könnte ja sein, dass sie ihn verließ, weil er kein guter Ehemann war, und dann... So geht er mit seinen Sorgen zu Sayokos Bruder Dan, einem wohlgemuten, psychopathischen Yakuza mittleren Ranges, und der geht mit ihm in einen edlen Massagesalon, erst mal kräftig ficken. Suwa bringt nichts zustande, verliebt sich jedoch in seine Masseuse, Yumi. Suwa zieht, nach einigem Hin und Her mit Dan, zu Yumi. Alldieweil hat Dan herausgefunden, wo sich Sayoko aufhält – und mit wem...
Rokuro Mochizuki gehört zu jenem Schlag Regisseure, den es außerhalb solcher in sich stabilen, filmhistorisch wie wirtschaftlich solide verankerten Kinokulturen wie Japan eigentlich gar nicht mehr gibt: Er ist ein veritabler Profi, ein Pragmatiker vor dem Herrn und ein Genie, wenn's flutscht, wie in Mi-nazuki. Seit 1993 hat Mochizuki jedes Jahr ein bis zwei stets billige Filme gemacht; vier, vielleicht fünf davon sind Meisterwerke, zwei, vielleicht drei sind Voll-Stinker, der Rest ist einfach schön und gut. Abgesehen von dem Historien-Softporno Debeso de Strip (1995) gehören sie alle, wie auch Minazuki, zum Genre des Yakuza-Films.
Mochizuki wusste immer, dass es für ihn einen nächsten Film geben würde – und einen nächsten und einen nächsten, was man den Werken, den gelungenen wie den misslungenen, einfach ansieht und was sie so großartig macht. Da ist eine Entspanntheit in seiner Inszenierung, eine Großzügigkeit und Freigeistigkeit in seiner Weltsicht, eine Gelassenheit und Toleranz gegenüber dem Treiben, dem Sehnen und den Macken seiner Charaktere: eine Haltung zum Film und zum Leben, zu der man nur unter solch karrieretechnisch unbelasteten Umständen wie denen von kleinen Genreproduktionen finden kann. Man muss nie alles sagen, weil es ja einen nächsten Film geben wird und weil sich Genrefilme ja alle auch ein wenig von selbst erzählen und verstehen. Es gibt noch Geheimnisse und weiße Flecken. Was man alles in Minazuki, einem der wenigen wahrhaft menschlichen Filme dieses Jahres, sehen kann. Olaf Möller
„Minazuki“, heute, 21.30 Uhr, Zeise 3, morgen, 22 Uhr, kl. Abaton
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