: Es gibt kein Butterbrot umsonst
Die Expo war der ideale Tummelplatz für ihre Chefin Birgit Breuel mit dem Credo: Erst knallharte Marktpolitik, dann zahlt der Steuerbürger das Defizit
von JÜRGEN VOGES
Wenn morgen die Expo mit einem großen Feuerwerk Schluss macht, geht auch die berufliche Karriere einer außergewöhnlichen Frau ihrem Ende zu: Expo-Generalsekretärin Birgit Breuel wird sich ins Privatleben zurückziehen. Die Expo GmbH, deren endgültiges Defizit wohl erst in zwei Jahren feststeht, wird zum Jahresende in eine Liquidationsgesellschaft umgewandelt, und dann läuft auch Breuels Vertrag als 1. Geschäftsführerin aus. Die finanziellen und rechtlichen Aufräumarbeiten hat danach ein anderer, der aus großen Konkursverfahren bekannte Wirtschaftsanwalt Jobst Wellensiek, zu übernehmen.
Insgesamt acht Jahre lang war Birgit Breuel die Symbolfigur der ersten Weltausstellung in der Bundesrepublik. Als niedersächsische Finanzministerin betrieb sie bis 1990 die Bewerbung Hannovers um die Expo 2000, kam dann nach ihrer Zeit als Treuhand-Chefin Anfang 1995 als Expo-Generalkommissarin, als offizielle Expo-Repräsentantin des Bundes, zurück. Gut zwei Jahre später, im April 1997, wurde sie schließlich ganz zur Expo-Chefin, übernahm auch noch die Leitung der Geschäftsführung der Weltausstellungsgesellschaft – einen Job, in dem zuvor bereits zwei Männer gescheitert waren.
„Sie mögen uns einfach nicht“
Die für sie schlimmsten Tage an der Spitze der Expo GmbH habe sie Anfang Juni in den ersten Weltausstellungswochen erlebt, sagte die 63-Jährige kürzlich bei ihrer persönlichen Expo-Bilanz. Seinerzeit blickte sie von ihrem Büro an der Expo-Plaza auf das leere Gelände, auf dem sich nur 30.000 statt der erwarteten über 200.000 Besucher verloren, und dachte: „Sie mögen uns einfach nicht.“
Eine Sympathieträgerin ist Birgit Breuel für die Öffentlichkeit nie gewesen. Ihr Studium der politischen Wissenschaften gab sie 1959 für die Familie, die Erziehung ihrer Söhne, auf, arbeitete noch als Direktionsassistentin bei Wirtschaftsinstituten und legte 1965 eine Prüfung als Einzelhandelskauffrau ab. Dass sie Tochter des hanseatischen Bankiers Alwin Münchmeyer ist, stand ihrem Wechsel in die Hamburger CDU-Politik dann sicher nicht im Wege. 1970 wurde sie Bürgerschaftsabgeordnete. Als der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht sie 1978 als Wirtschaftsministerin in sein Kabinett holte, galt sie nur kurze Zeit als die Alibifrau in einer reinen Männerriege. Kühl, scharfzüngig, durchsetzungsstark erwarb sie sich bald den Ruf, der „einzige Mann in Landeskabinett“ zu sein. Noch heute will sie nie durch Äußerlichkeiten, durch modebewusste Selbstinszenierung überzeugen, sondern durch Kompetenz und Leistung.
Als Repräsentantin eines Riesenfestes, eines gigantischen Freizeitparks wie der Expo 2000, taugt eine Frau mit solchen als typisch männlich geltenden Tugenden wenig. Nicht umsonst wurde nach vielen Klagen über das Image-Problem der Expo schließlich Verona Feldbusch engagiert, um mit einer 50-Millionen-Werbekampagne auf allen Kanälen dem Fernsehpublikum den „Spaßfaktor“ der Weltausstellung schmackhaft zu machen.
Die Politikerin Birgit Breuel legte frühzeitig vehemente Bekenntnisse zum Neoliberalismus ab, verfasste etwa Schriften wie „Den Amtsschimmel absatteln“ oder „Es gibt kein Butterbrot umsonst“. Ihre öfffentlichen Lobpreisungen von Markt, Wettbewerb und Privatisierung haben sie aber nie daran gehindert, in der politischen Praxis jener „Subventionitis des Staates“ zu frönen, gegen die sie in Worten stets zu Felde zog. Die Treuhandanstalt hinterließ beim Abschied ihrer Chefin 270 Milliarden Mark an Schulden, die Expo kostet die Steuerzahler bereits jetzt 2,4 Milliarden. Schon als Wirtschaftsministerin in Niedersachsen hatte Breuel häufig genug Unternehmen mit wenig wirtschaftlicher Perspektive mit hohen staatlichen Unterstützungen bedacht. Selbst als das Bankhaus ihrer Familie, die von ihrem Bruder geleitete SMH-Bank, 1986 zusammenbrach, war der Konkurs eines vom Land Niedersachsen und von Breuel geförderten Maschinenbau-Konzerns die Ursache für die Dezimierung ihres Privatvermögens.
Natürlich sollte man weder bei der Expo noch bei der Treuhand den persönlichen Anteil der Chefin an dem wirtschaftlichen Endergebnis überschätzen. In beiden Fällen waren die Weichen bereits gestellt, als die Hanseatin das Ruder übernahm. Die angeblich kostendeckende Weltausstellung, die von Breuel immer wieder zitierte Expo mit der „schwarzen Null“, wurde festgeschrieben, als der Bund Anfang der 90er-Jahre angesichts der Vereinigungslasten keine Expo-Milliarden locker machen wollte und weder Bund noch das Land Niedersachsen den Mut fanden, die Weltausstellung schlicht abzusagen. Schon als Breuel noch Treuhand-Chefin war, rechneten beide Seiten die Expo einfach schön und teilten die Summe der absehbaren Kosten durch einen gerade noch vertretbaren Eintrittspreis und kamen so auf 40 Millionen Besucher. Absurderweise wurde diese Zahl, die nicht einmal zur Hälfte erreicht ist, sogar in den Gesellschaftervertrag der Expo GmbH aufgenommen.
Die Expo-Chefin tat allerdings alles, um diesen Großbetrug an Wähler und Steuerzahler so spät wie möglich auffliegen zu lassen. Noch nach Beginn der Weltausstellung hatte die Expo-Pressestelle die Besucherzahlen tagtäglich nach oben zu lügen. Breuel zog Mitte August für die Öffentlichkeit eine positive Expo-Halbzeitbilanz und sandte doch am gleichen Tag jenen Offenbarungsbrief an Bund und Land, der das Defizit erstmals auf 2,4 Milliarden schätzte.
Gastgeber und Veranstalter der Expo 2000 in Hannover ist nach den internationalen Weltausstellungsstatuten eigentlich die Bundesrepublik Deutschland, diese bedient sich dabei nur der Expo 2000 GmbH. Allerdings ist noch nie eine Expo so weitgehend privatisiert worden wie die in Hannover. Dies passt zum neoliberalen Glaubensbekenntnis Birgit Breuels.
Die Beste ihrer Generation
Unterm Strich ist allerdings nicht die finanzielle Beteiligung der Privatwirtschaft an der Ausstellung um die Hälfte hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Vor allem aber haben die Expo GmbH und ihre Chefin ohne einen durchgreifenden Kontrollmechanismus mit öffentlichen Geldern schalten und walten können, wie Expo-Kritiker stets betont haben. Die Rechnungshöfe von Bund und Land konnten das Finanzgebaren der privatrechtlichen GmbH nicht direkt, sondern nur über staatliche Unterlagen prüfen. Im Aufsichtsrat saßen mehrheitlich Wirtschaftsvertreter, die für das Defizit nicht geradezustehen hatten. Und dem Markt, dem Besucher-Kunden, musste sich die Expo erst stellen, als sie ihre Tore öffnete.
Dem Ruf von Birgit Breuel wird das alles keinen weiteren Abbruch tun. Einen parlamentarischen Expo-Untersuchungsausschuss wird es kaum geben, an ihm haben weder die Regierungen in Bund und Land noch die CDU-Opposition ein Interesse. Immerhin hat es in der CDU keine Frau ihrer Generation so weit gebracht, die nicht auf die Frauen-Union, sondern auf ihre eigenen Fähigkeiten gesetzt hat.
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