: „Es bedeutet alles nichts“
■ Gene Simmons von Kiss erzählt jetzt einmal was von Frauen, den coolen 70er Jahren, Texten übers Ficken und der wirklich selbstlosen Liebe der Fans
Gene Simmons (mit väterlicher Stimme): Komm her, mein Junge, ich erzähl dir jetzt mal was.
taz (verängstigt): Toll!
Simmons (verdunkelt das Zimmer und setzt sich in einen Sessel, die Beine ausgestreckt): Also, was willst du wissen?
Was möchtest du nach 20 Jahren „Kiss“noch erreichen?
Ich würde gerne ein paar Platten machen, die so gut sind wie in den 70er Jahren. In den 80ern waren wir nicht cool. Die 80er waren nicht cool. Es war die Zeit der Superstars, alle Bands klangen gleich, und wir waren mittendrin. Punk war ein guter Tritt in den Arsch, Trash war ein guter Tritt in den Arsch. Die neuen Gruppen (Soundgarden, Smashing Pumpkins) bringen etwas Frisches in die Musik. Aber all diese Musiker wuchsen mit Kiss auf.
Jeder Mensch hat eine Zeit, in der er leicht zu beeindrucken ist. Was immer in dieser Zeit passiert, bleibt für immer bei dir, und die erste Band wirst du nie vergessen. Und wenn du diese Band immer noch liebst, wenn du aufgewachsen bist, dann ist es Magie. Bei mir waren es die Beatles. Ich wollte so werden wie sie. Danach denkst du anders, ziehst dich anders an, hast neue Freunde, und wenn deine alten Freunde es nicht verstehen, sind es nicht mehr deine Freunde, weil sie die Magie nicht verstehen.
Ich habe es gerade wieder von Lars Ulrich von Metallica gehört. Was hat sein Leben verändert? Kiss. Ich weiß nicht, warum. Wir sind nicht U2 oder Sting, wir haben keine Botschaft und retten nicht den Regenwald. Wir reden über nichts. Unsere Texte waren meist übers Ficken und Eine-gute-Zeit-haben. Es bedeutet nichts.
Äh...
Aber vielleicht ist Kiss wie eine Marschkapelle, die dir auf der Straße des Lebens begegnet, wo du anhältst und mit der Band mitmarschieren willst. Es bedeutet nichts, keine Worte, aber das Gefühl. Oder wenn du ein kleiner Junge bist und der Zirkus kommt in die Stadt, dann willst du dein Zuhause verlassen und mit dem Zirkus weiterreisen, weil es Spaß ist, sie alle anders angezogen sind und weil sie dich aus der kleinen Stadt herausreißen.
Stimmt.
Und wir hören nicht auf. Ich mag den Weg von Sinatra. Er hatte letztens einen Auftritt und brach in der Mitte zusammen. So will ich gerne enden – in der Mitte eines Konzerts. Niemand sagt mir, wann es an der Zeit ist, zu sagen, daß wir wichtig sind – wir sagen dir, daß wir wichtig sind.
Grammys, Lifetime Achievement Awards, Walk of Fame – sie geben uns das alles, aber es bedeutet uns nichts. Jeder Fan draußen, jedes Fanzine und jede Kiss-Convention zählt mehr. Das ist Liebe. Oder wenn Frauen zu dir kommen und dir ihren Körper geben wollen, weil sie deine Kunst bewundern – das ist die romantischste Sache der Welt, für mich größer als die Liebe selbst. Denn es ist selbstlose Liebe.
Mitschrift: Holger in't Veld mit „Die Ärzte“: Sa, 24. Mai, 16 Uhr, Trabrennbahn Bahrenfeld
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