Erzwungener Senderwechsel Savianos: Exil im Privatfernsehen
Noch immer reicht Berlusconis Macht, um Roberto Saviano aus der RAI zu kegeln. Das sagt nichts über die Publikumsgunst, viel aber über die TV-Landschaft Italiens aus.
ROM taz | Als Italiens junger Starautor Roberto Saviano und der Starmoderator Fabio Fazio vorigen Montag auf die Bühne des TV-Studios traten, war eigentlich alles genauso wie vor zwei Jahren bei ihrem gemeinsamen Auftritt in der Sendung „Vieni via con me“ (Komm, geh weg mit mir).
An drei Abenden hintereinander sahen die Zuschauer ein Reading, mal kurze, mal längere Monologe Fazios, Savianos, aber auch zahlreicher anderer Berühmtheiten aus dem Fernsehen, dem Theater, der Musik, die sich um die Nöte der Menschen im krisengebeutelten Italien, um die Mafia, um die häusliche Gewalt gegen Frauen drehten.
Und doch war alles ganz anders, denn diesmal hieß die Show „Quello che (non) ho“ (Was ich [nicht] habe) und lief beim Privatsender La Sette und nicht bei der staatlichen RAI. Es war ein erzwungener Wechsel, der nichts über die Publikumsgunst, viel aber über die TV-Landschaft Italiens aussagt. Bei der RAI war das sperrige Programm Savianos und Fazios ein Straßenfeger; 10 Millionen Menschen schalteten Abend für Abend ein. Zu viele für den damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seine Getreuen: Sie verweigerten einen Vertrag für eine Nachfolgesendung im RAI-Programm.
Berlusconi ist seit nunmehr gut sechs Monaten als Regierungschef zwar weg vom Fenster, doch das Zwangsexil von Saviano und Fazio zeigt, dass sich an seiner Medienmacht bisher wenig geändert hat. Nicht nur in der eigenen Mediaset geben seine Gefolgsleute weiterhin den Ton an. Und dennoch droht Berlusconis Macht nach der Politik auch im italienischen Fernsehen zu erodieren.
Tendenz: weiter fallend
Gewiss, Mediaset ist weiterhin die Sendergruppe, die allein etwa 70 Prozent der in TV-Werbung in Italien investierten Gelder anzieht. Doch die europäische Krise macht den drei Berlusconi-Kanälen schwer zu schaffen. Auf minus 8 Prozent wird die Entwicklung der Werbeeinnahmen im letzten Jahr kalkuliert, Tendenz: weiter fallend. Und was neue Impulse im Programm angeht: Fehlanzeige: Die Zuschauer wenden sich langsam, aber stetig ab vom Einheitsbrei aus Soap-Operas, Talentshows und Quizsendungen. Hilfreich ist für Berlusconi allein die RAI: Deren Programm wirkt, von Nischen abgesehen, unkritisch, wie das Spiegelbild von Mediaset.
Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Alle Versuche der Regierung Monti nämlich, die RAI zu reformieren und einen neuen, nicht mehr unmittelbar von den Parteien kontrollierten Verwaltungsrat zu berufen, scheitern regelmäßig am Veto der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit. Und auch wenn die RAI sich mit sinkenden Werbeeinnahmen und einem wachsenden Defizit herumschlägt, gibt sich die Senderspitze ungerührt.
Derweil aber treiben die aus dem Staatssender geekelten Stars die Einschaltquoten der Konkurrenz in die Höhe. Saviano und Fazio wollten im Sender La Sette immerhin gut 3 Millionen Menschen an drei Abenden in Folge sehen. Und der Startalker Michele Santoro geht Woche für Woche mit seinem politischen Programm „Servizio pubblico“ (Öffentliches Fernsehen) vor Millionenpublikum auf Sendung – aber eben nicht bei der öffentlichen RAI.
Übertragen wird Santoro von Lokalsendern quer durchs Land ebenso wie vom Sky-Free-TV-Programm Cielo, denn auch der Anti-Berlusconi-Mann Santoro hatte in seinen RAI-Zeiten zu viel Erfolg für den Geschmack der Chefs.
Die Hegemonie Berlusconis könnte in den nächsten Wochen einen weiteren schweren Schlag erleiden. Der bisherige Eigner von La Sette, Italiens Telecom, trägt sich mit Verkaufsplänen. Als Hauptinteressent gilt die Verlagsgruppe La Repubblica-Espresso – seit Jahren erbitterter Gegner Berlusconis. Da überrascht es nicht, dass jetzt erste Absetzbewegungen im eigenen Lager zu verzeichnen sind. Generaldirektorin Lorenzo Lei jedenfalls erklärte letzte Woche, für Roberto Saviano stünden „die Türen der RAI wieder offen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos