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Erzählungen von Mary GaitskillAmouröse Abhängigkeiten

In den Achtzigern waren Mary Gaitskills Erzählungen „Bad Behavior“ über Masochismus ein Skandal – nun liegen sie wieder auf Deutsch vor.

Prostitution ist eines der Themen der Erzählungen von Mary Gaitskill Foto: dpa

BERLIN taz | Endlich also ist es wieder auf Deutsch erhältlich, Mary Gaitskills „Bad Behavior“, das unter dem deutschen Titel „Schlechter Umgang“ 1988 erstmals erschien. Nun liegt es in der Übersetzung von Nikolaus Hansen bei Blumenbar vor.

Damals war es eine Sensation, ein angenehm schlüpfriger literarischer Erstling, in dem Gaitskill Tabuthemen wie sexuellen Masochismus oder Prostitution aufgreift – dass eine junge Frau über diese Themen schreibt, war alles andere als selbstverständlich. Skandalös wirken die neun Erzählungen heute nicht mehr, allenfalls die Erzählhaltung, die zwischen lapidarem Feststellen und genüsslichem Ausbuchstabieren der Fantasien der Handelnden changiert, mag noch provozieren.

Orte der ersten Begegnungen der Akteure sind Büros oder Pizzaläden. Was sich dann entfaltet, sind Beziehungen, nein, Konstellationen, deren minimale Verschiebungen Räume für neue Machtspiele öffnen.

Nie geht es um Intimität; immer wieder besteht das größte Interesse der Charaktere darin, die Oberhand im Spiel mit dem anderen zu gewinnen, seltsam infantil wirken sie dabei. Beiläufig erzählt Gaitskill von der Lust am emotionalen oder körperlichen Leiden des anderen.

Das Buch

Mary Gaitskill: „Bad Behavior. Schlechter Umgang“, a. d. Engl. v. Nikolaus Hansen, Blumenbar Verlag, Berlin 2020, 256 S., 20 Euro

Manches Mal kommt einem da Kristen Roupenians Kurzgeschichtensammlung „Cat Person“ in den Sinn, und Roupenian liefert auch das Nachwort zum Buch. Wo jene aber zu oft ausbuchstabiert, beherrscht Gaitskill die Kunst der Auslassung. Immer wieder tut sich zwischen dem, was die Charaktere zu sagen glauben und dem Erzählerkommentar „aus dem Off“ eine Kluft auf, die die Handelnden in ihrer Einfalt oder Niedertracht ausleuchten.

Wertungsfreie Texte

„Er war ein schmächtiger, schlanker Junge mit einem blassen, schmalen Gesicht und blondem Haar, das ihm über eine Braue fiel. In seinem weiten Mantel sah er aus wie das Schoßkind einer angehenden Geheimpolizeitruppe. Sie fand ihn schön“, heißt es in der zweiten Geschichte „Ein romantisches Wochenende“, in der viel passiert, nur keine Romantik.

Vielmehr malt sich die Protagonistin Beth die masochistische Unterwerfung unter den Willen eines Mannes aus. Gaitskill beschreibt meisterhaft, wie die Fantasien der beiden Handelnden aneinander abprallen, wie sich Wunschträume über die Wirklichkeit schieben, die nie so erfüllend zu sein vermag wie die Fantasie.

Die vermeintlich natürliche Geschlechterordnung wird in dem Spiel um Dominanz auf den Kopf gestellt. „Er fühlte sich vergewaltigt und überrumpelt. Dies war nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber wenn er sich wehrte, könnte der Eindruck entstehen, er sei weniger viril als sie.“ Nie scheinen die Akteure für sich selbst zu handeln, sondern mit Blick auf eine geheime Ordnung.

Tatsächlich buchstabiert Gaitskill Formen der amourösen Abhängigkeit durch, ohne erkennbar Sympathie für die ein oder anderen Handelnden zu bekennen. So bleiben die Texte wertungsfrei, der Lesende darf selbst werten. In ihrer oft narzisstischen, eit­len oder drogengetrübten Einfalt eignen sich nur wenige Charaktere der Geschichten für positive Identifikation, zeigen aber, dass der Topos vom Mann, der sich entzieht und die Frauen damit nur umso begieriger macht, nicht erst in den Romcoms der Zweitausender geboren wurde.

Woher die Wunden der Akteure rühren, bleibt dabei weitestgehend im Verborgenen, es wird nur angedeutet. So zum Beispiel in der wohl bekanntesten Geschichte Gaitskills, „Sekretärin“, die mit Maggie Gyllenhaal in der Hauptrolle verfilmt wurde.

Darin angelt sich die junge Debby einen ersten Job als Sekretärin eines Anwalts, der zunächst zufrieden mit ihrer Arbeit erscheint, sie dann aber wegen eines Tippfehlers in einem Dokument bestraft. Debby muss, mit entblößtem Hintern über den Tisch gebeugt, den fehlerhaften Brief vorlesen, bis ihre Tränen das Dokument unleserlich machen.

In Zeiten von MeToo wäre diese Geschichte eine von Machtmissbrauch und männlicher Dominanz. Gaitskill aber wirft die Frage auf, warum Debby gleichermaßen verstört wie erregt ist von den Handlungen. „Ich wandte den Kopf von ihm fort. Ich dachte, ich muss das nicht tun. Ich kann auf der Stelle Schluss machen. Ich kann mich hinstellen und hinausgehen. Aber ich tat es nicht. Ich zog meinen Rock hoch.“

Nur entfernt deutet Debbys Familienkonstellation mit zwei erwachsenen Töchtern, die zu Hause leben, und einem schweigsamen Vater, der körperlich das Geschehen in der Familie dominiert, eine mögliche Antwort auf die Frage an.

Sie lautet jedenfalls nicht: Frauen neigen eben zu Unterwürfigkeit.

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