Erster betreuter Taubenschlag in Hamburg: Ein Zuhause für die Bahnhofstauben
Das „Taubenloft“ in Hamburg-Barmbek soll Stadttauben und Anwohner*innen helfen. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Lösungen bereits.
Der steht da schon etwas länger, offiziell eingeweiht wird er nun am Donnerstag. Das zweijährige Pilotprojekt, wissenschaftlich von der Tierärztlichen Hochschule Hannover begleitet, ist Teil einer größeren Initiative, die Taubenschläge auch am Hauptbahnhof und am Bahnhof Altona vorsieht.
Das „Taubenloft“, so nennt sich das Projekt, bietet auf knapp 14 Quadratmetern rund 100 Nistzellen und 75 Sitzbrettchen. Die Betreuung wird durch das Hamburger Schwanenwesen beim Bezirksamt Nord abgedeckt. Der Schlag soll helfen, die Taubenpopulation zu reduzieren, die Gesundheit der Tiere zu fördern und ihre Vermehrung zu regulieren. „Wir wollen eine Lösung finden, die sowohl den Tieren als auch den Anwohnern zugute kommt“, so Alexander Fricke vom Bezirksamt.
Tauben füttern unerwünscht
Bereits im September 2022 stellte die Bezirksversammlung auf Initiative von Grünen und SPD 50.000 Euro für das Pilotprojekt zur Verfügung. Und in den vergangenen Monaten wurden etwa 35 Tauben aus dem Tierschutz in dem Schlag einquartiert. Sie sollen als Lockvögel dienen, um die ortsansässigen Tauben anzuziehen. Ende Oktober wurde die Luke des Containers geöffnet.
„Davon profitieren nicht nur die Tauben, sondern auch die Menschen rund um den Bahnhof“, sagt Simone Dornia von den Barmbeker Grünen über das Projekt. Und Oliver Camp, Mitglied im Regionalausschuss der Grünen, sieht einen großen Schritt in Sachen Tierschutz: „Die Tauben werden artgerecht betreut und versorgt. Dadurch wird hoffentlich die Verschmutzung durch Taubenkot im Bahnhofsumfeld reduziert.“
Der Container war im vergangenen Jahr zunächst auf dem Dach eines Gebäudes am Barmbeker Bahnhof installiert worden. Wegen eines Wasserschadens musste er jedoch wieder entfernt werden. Nun steht er etwa 50 Meter vom Bahnhof entfernt. Um die Tiere an den neuen Standort zu gewöhnen, haben die Projektverantwortlichen Methoden entwickelt. „Wir haben uns einer Pfeife und Handfutter bedient, um die Tiere entsprechend zu konditionieren“, sagt Fricke. Diese Maßnahme werde eingestellt, sobald das Taubenloft von Tieren aus der Umgebung angenommen wird.
Stadttauben als Haustiere
Simone Dornia appellierte an Passant*innen, Tauben im Umfeld des Bahnhofs nicht zu füttern. „Nur so können die Tiere lernen, den Taubenschlag als Futterquelle und sicheren Rückzugsort zu erkennen“, so die Grüne.
Tierschützer*innen wie Martina Born vom Hamburger Stadttaubenverein weisen schon lange darauf hin, dass Stadttauben eigentlich Haustiere seien, die auf den Menschen angewiesen sind. „Tauben legen nicht weniger Eier, wenn sie weniger Futter bekommen“, sagte sie der taz im Januar. „Sie werden nur krank und entkräftet, oder die Küken sterben.“ Taubenschläge, in denen die Tiere gefüttert werden und ihre Eier legen können, seien daher der richtige Weg. Born kümmert sich seit zehn Jahren um verletzte und entkräftete Vögel und plädiert für das sogenannte Augsburger Modell, an dem sich auch das Hamburger Taubenloft orientiert.
Das Augsburger Modell, das dort 1995 eingeführt wurde, hat vier Kernelemente: An strategischen Orten in der Stadt werden betreute Taubenschläge eingerichtet. In diesen werden die von den Tauben gelegten Eier regelmäßig durch Attrappen ersetzt, um die Vermehrung zu kontrollieren. Die Tiere werden mit artgerechtem Futter und Wasser versorgt, kranke Tiere werden behandelt und die Schläge regelmäßig gereinigt und desinfiziert.
Ähnliche Projekte im Norden
Es gibt im Norden bereits ähnliche Projekte. In Bremen wurde Ende 2023 ein Taubenhaus auf dem obersten Deck einer Parkgarage in der Innenstadt errichtet. Die Inneneinrichtung ist allerdings immer noch nicht fertig. Außerdem hat der Energiekonzern swb mit Unterstützung des Bremer Tierschutzvereins einen Taubenschlag eingerichtet. In Vegesack soll mit der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes ein Standort für einen Taubenschlag festgelegt werden, zudem möchte das Umweltressort Immobilienbesitzer motivieren, Standorte für Taubenschläge bereitzustellen.
Die Stadt Hannover lässt sechs Taubenschläge durch das Netzwerk Taubenrettung betreuen. In Braunschweig gibt es einen betreuten Taubenschlag, zwei neue sind auf dem Dach eines Einkaufszentrums geplant. Das Land Niedersachsen fördert außerdem die Errichtung von betreuten Taubenschlägen. Noch bis Anfang Dezember können Kommunalverwaltungen und Tierschutzorganisationen Anträge für eine Förderung von Taubenschlägen stellen. 80 Prozent der Gesamtkosten, maximal 15.000 Euro pro Taubenschlag, übernimmt dann das Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens