Erste Imamschule in Deutschland: Imame aus dem ganz nahen Osten
An der bundesweit ersten Schule für Imame in Karlshorst sollen muslimische Geistliche ausgebildet werden, die in der deutschen Kultur ebenso zuhause sind wie in der der muslimischen Zuwanderer.
29 Schüler lernen bislang an der neu gegründeten Imamschule in Karlshorst. Die bundesweit erste Einrichtung dieser Art will mit einer sechsjährigen Ausbildung Imame hervorbringen, die die deutsche Gesellschaft und Sprache gut kennen und damit den hier lebenden Muslimen näher stehen als die bisher in hiesigen Moscheen tätigen im Ausland ausgebildeten Geistlichen.
"Männlichkeit" heißt eine Aufnahmebedingung für die neue und bundesweit erste Schule für Imame, die sich im früheren Eisenbahner-Kulturhaus in Karlshorst angesiedelt hat. Die jungen Männer, die dort am Freitag beim Tag der offenen Tür die Gäste erwarten, scheinen davon noch weit entfernt. Jungenhaft ernst und beinahe etwas zu gerade sitzen sie an langen Tischreihen im riesigen Saal des Gebäudes, dessen Ostcharme auf merkwürdige Weise zu den prunkvollen Kristallkronleuchtern und kunstvoll gerafften Vorhängen passt, die nun dort etwas orientalisches Flair verbreiten. Bieder wirken sie in ihren Anzügen, wie Dorfjungen zu Besuch in der Stadt: Selbst die bei jungen Berliner Migranten selten gewordene Kombination von weißen Socken in schwarzen Schuhen ist zu sehen.
Kaum einer der 18- bis 25-Jährigen, die hier eine Ausbildung zum muslimischen Geistlichen absolvieren wollen, kommt aus Berlin. Musa etwa, 19 Jahre alt, stammt aus der Nähe von Bielefeld; sein Sitznachbar Yasin, auch 19, aus dem Ruhrgebiet. Beide sind in Deutschland geboren und haben bisher die Hauptschule absolviert: Ein in der EU oder der Türkei anerkannter Schulabschluss ist eine weitere Voraussetzung für die Aufnahme an der Imamschule. Noch sind die beiden in Vorbereitungskursen. Für Musa steht aber fest, dass er die Ausbildung macht: Es sei von Kindheit an sein Traum gewesen, Imam zu werden, sagt er. Yasin ist noch nicht sicher, ob er an der Schule bleibt.
Was den beiden bevorsteht, ist hart: Sechs Jahre soll das Lernen dauern, verbunden mit einer Art Klosterleben, denn die Privatschule ist ein Internat. Die Schulkosten betragen 4.000 Euro pro Jahr. Im Grundstudium lernen die Schüler Arabisch, um den Koran verstehen zu können, und alles weitere über ihre Religion. Im Hauptstudium liege der Schwerpunkt dann auf Logik und Dialektik, Koraninterpretation sowie Überlieferungen zum Leben des Propheten Mohammed, erklärt Schulleiter Alexander Weiger. Türkisch und Deutsch sowie Kunst und Gesellschaftskunde kämen dazu. Der 37-jährige Weiger ist Politologe und wird selbst Deutsch und Gesellschaftskunde lehren. Vor zwei Jahren erst ist der Bayer zum Islam konvertiert. Dass er nun bereits Leiter der ersten deutschen Imamschule ist, liege wohl daran, "dass ich unsere Sache am besten nach außen vertreten kann", glaubt er.
Der Anstoß für die Gründung der Schule kam von türkeistämmigen Muslimen der Schöneberger Semerkand-Moschee. Die Absolventen sollen sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie als in Deutschland aufgewachsene und ausgebildete Imame Mittler zwischen Muslimen und der Mehrheitsgesellschaft sind.
Der erste Kontakt der zukünftigen Imame zu den KarlshorsterInnen am Tag der offenen Tür verläuft gut: Hunderte sind gekommen. Proteste von Anwohnern gegen die Schulgründung gibt es nicht. Die NPD hat zwar versucht mit einem Flugblatt, in dem sie vor "islamistischer Gehirnwäscherei" und "geistigen Brandstiftern" warnte, Stimmung zu machen - ohne Resonanz. Lichtenbergs Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei) wertet das als Erfolg der "engagierten Auseinandersetzung mit Nazis hier im Bezirk: "Da trifft solcher Quatsch hier nicht gleich auf einen Nerv."
Bei der Führung durch Unterrichts- und Wohnräume streicht eine Karlshorsterin bewundernd über frisch gestrichene Wände. Metallschienen schützen die Ecken vor Abstoßung. Sie kennt das Gebäude aus ihrer Kindheit: "Hier gab es warmes Mittagessen für uns Eisenbahnerkinder und eine kostenlose Bibliothek." Mit den neuen Nutzern ist sie einverstanden: "So viel Mühe macht man sich an unseren Schulen nicht."
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