Erste Ergebnisse für Wahl in Berlin: Grüne könnten es schaffen
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liegen Grüne und SPD nach ersten Hochrechnungen gleichauf. Die Grünen übertreffen damit die Umfragen.
In den ersten Hochrechnungen kurz vor 20 Uhr misst die ARD der Partei mit Spitzenkandidatin Bettina Jarasch 22,9 Prozent zu. Die seit Anfang August in allen Umfragen führenden SPD mit Ex-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey an der Spitze erreicht demnach nur 22,3 Prozent. Erst auf Platz 3 folgt dabei die CDU mit 15,4 Prozent – so schlecht wie noch nie bei einer Berliner Wahl. Das ZDF sieht die Lage anders: Dort liegt die SPD in der 20-Uhr-Hochrechnung mit 22,8 Prozent knapp vor den Grünen mit 22,2 Prozent.
Während bei Grünen und Linkspartei, die laut Prognose in Berlin deutlich besser abschneidet als auf Bundesebene, nach Verkündung dieser Zahlen minutenlanger Jubel ausbrach, herrschte bei der CDU angesichts ihres mutmaßlich historisch schlechtem Abschneiden absolute Stille im Fraktionssaal im Abgeordnetenhaus. Dort, wo alles für eine wegen der Pandemie nur klein ausfallende Wahlparty vorbereitet war, stand Entsetzen in den Gesichtern von Abgeordneten und Parteifunktionären. Bei der SPD ebbte kurzeitiger Jubel ab, als der um zwei Prozentpunkte besser ausfallende Grünen-Wert bei der ARD auf die großen Bildschirme in der Feier-Location „Station“ kommt.
Grüne schnitten sonst häufig schlechter ab als in Umfragen
Das so bezeichnete „grüne Wunder“ besteht zu jenem Zeitpunkt darin, dass die SPD auch in der jüngsten Umfrage am Freitag 23 Prozent erreichte, während die Grünen dort nicht über 17 Prozent hinaus kamen und ihr bislang bestes Wahlergebnis mit 17,6 Prozent von 2011 datiert. Hinzu kam, dass die Grünen bei vergangenen Wahlen zumeist schlechter abschnitten als in den Umfragen. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, sprach von einer „unglaublichen Aufholjagd“ und zeigte sich „überwältigt“ von dem Ergebnis.
Übereinstimmend sehen hingegen die Prognosen beider Sender die AfD abstürzen: Sie, die bei der Wahl 2016 noch über 14 Prozent erreichte, halbiert sich bei den ersten Zahlen auf 6,5 bis 7 Prozent.
Auffällig ist aber auch das Ergebnis der Linkspartei: Während sie zu jenem Zeitpunkt im Bund fürchten muss, an der 5-Prozent-Hürde zu scheitern, erreicht sie in Berlin bessere Werte als in den jüngsten Umfragen. Ein Grund dafür könnte der parallel angesetzte Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen sein, wo Umfragen einen Erfolg voraussagten und den die Linkspartei mehr als jede andere Partei in Berlin unterstützte.
In Berlin deshalb vergleichsweise gut abzuschneiden, das könnte der Linkspartei auf Bundesebene die entscheidenden Zehntelprozente bringen, um die 5-Prozent-Hürde zu überwinden. Auch falls das nicht klappt, hat Berlin für das bundesweite Schicksal der Partei zentrale Bedeutung: Dort liegen ihre bisherigen drei Direktmandate – wenn eine Partei drei Wahlkreis direkt gewinnt, gilt die 5-Prozent-Hürde nicht, und die Partei kann auch mit 4,9 Prozent oder weniger in den Bundestag einziehen.
Menschen standen um 20 Uhr noch vor Wahllokalen an
Die Auszählung selbst verzögerte sich teilweise, weil selbst um 20 Uhr – und damit weit nach eigentlichem Schluss um 18 Uhr – vor diversen Wahllokalen noch Menschen darauf warteten, ihre Stimmen abgeben zu können. In einigen Wahllokalen gingen zwischenzeitlich die Stimmzettel aus.
Darauf ging in einer ersten Reaktion vor seinen Parteifreunden im Abgeordnetenhaus auch CDU-Spitzenkandidat und Landeschef Kai Wegner ein. Der wurde trotz des in beiden Prognosen historisch schlechten Ergebnisses beklatscht. Und trotz des guten Abschneidens der bisher in Berlin regierenden und zu jenem Zeitpunkt zusammen bei rund 60 Prozent liegenden drei Parteien behauptete Wegner: „Die Wahl hat gezeigt, dass Rot-Rot-Grün es nicht kann – die können noch nicht mal eine Wahl organisieren.“
Bei der CDU machten Überlegungen die Runde ob die Wahlen möglicherweise anfechtbar seien: Angesichts fehlender Wahlunterlagen und von Wartezeiten über zwei Stunden, die die Menschen teils wohl dazu brachten, ohne Wahl nach Hause zu gehen. Als weiteres mögliches Argument dafür galt, dass jene, die nach eigentlich geplanter Wahllokalschließung um 18 Uhr noch wählen konnten, zu jenem Zeitpunkt schon die Prognose kannten, so sie denn mit Handy in der Schlange standen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!