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■ Erste Begegnung mit Schwaben. Von Vermietern, Nachbarn und SchlüsseldienstenSchlaflos in Stuttgart

Als ich noch in Berlin wohnte und meinen Nachbarn einmal mit der Bitte aus dem Schlaf klingelte, er möge mir doch die Haustür öffnen, ich hätte nämlich den Hausschlüssel verloren, antwortete mir der Kerl, ohne lange nachzudenken, der Service koste einen Kasten Bier. Klaro, einen Kasten Kindl versprach ich dem Nachbarn, und das Problem war gelöst. Doch nun wohne ich eben nicht mehr in Berlin, sondern im Süden der Republik, wo das menschliche Miteinander ganz anders geregelt wird. Das Malheur begann mit dem Umzug nach Stuttgart.

Der Brief mit dem neuen Stuttgarter Haus- und Wohnungsschlüssel war nicht angekommen, der Hausbesitzer nicht erreichbar. Allerdings war der Umzugswagen bereits gepackt, und irgendwie würde ich schon ins Haus gelangen: An einem Samstag um zwei Uhr nachmittags ging die Reise los.

Bei Göttingen unterbrach ich die Fahrt, um mit meinem Vermieter zu telefonieren. „Leibschmöckle“, grunzte es im Hörer. „Guten Tag“, sagte ich, „mein Name ist..., ich hab da ein Problem..., können Sie mir nicht..., es wäre sehr freundlich, wenn...“ Also, ich habe mich wirklich angestrengt. Das war der Leibschmöckle nun wahrlich nicht gewohnt, und deshalb blökte er mich an: „Jo, Hoilandssäckel, ich kenn Se gar nich, da könne Se bis Montag warde, ich hab Foierobend.“ Klack, aufgelegt. Da gab es keine Diskussion, kein bitte und kein danke. Ich rief natürlich gleich noch mal an. Da war besetzt. Der Leibschmöckle hatte den Hörer neben die Gabel gelegt.

Es war Samstag, zehn Uhr abends. Einen Schlüsseldienst hatte ich bereits informiert. Um nicht die ganze Schließanlage des Hauses zu demolieren, mußte jedoch einer meiner zukünftigen Nachbarn die Haustür öffnen. Frau Klösle berief sich zwar nicht auf den Feierabend, aber auf den Rat ihres Ehemannes: „Wenn ich jetzt aufs Knöpfle drügge, könne Se im Häusle jo was zerstöre, desch zahlt koine Versicherung.“ Ich habe noch nie so lange über Versicherungen geschwafelt, es half alles nichts. Endlich brüllte ich, so laut und lange ich konnte, in die Gegensprechanlage: „Aaauuufffmmmaaaccchhheeennn!!!“ Es brummte, und das Außentor war offen.

Nachdem der professionelle Türaufbrecher seinen Dienst verrichtet hatte, schleppte ich eine Matratze in die neue Wohnung und begab mich umgehend zu Bett. Der Schlaf aber sollte schon bald unterbrochen werden. Am Sonntag nämlich trommelte ein aufgebrachter Herr gegen die Wohnungstür. Ach, auch einer, der Hilfe braucht, dachte ich. Der Olgastraßenbewohner beschwerte sich aber lediglich über den Lärm der vergangenen Nacht und drohte mir mit Hals- und Beinbruch, falls ihm heute auch noch die Mittagsruhe geraubt werde. „Ruhe, Ruhe, Ruhe!“ schrie er. Das war morgens um halb acht. Carsten Otte

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