Erschossener Zoogorilla in den USA: Shitstorm für die Falschen
Ein Kind stürzt in das Gehege eines Silberrückens. Der findet Interesse an dem Spielzeug und wird erschossen. Tierschützer gehen auf die Barrikaden.
Dass Tierliebe oft nur ein Synonym für Menschenhass ist, zeigt sich derzeit einmal mehr in den USA: Ein Vierjähriger ist vor den Augen seiner Mutter über eine Absperrung im Zoo von Cincinnati geklettert. Unglücklicherweise leben auf der anderen Seite die Gorillas.
Ein Silberrücken fand Interesse an dem Spielzeug und wurde dafür erschossen. Was so ein 200-Kilo-Brocken mit einem Kleinkind schon bei einem einzigen versehentlichen Prankenhieb anstellen kann, ist klar. Die Zoodirektion ließ das Tier erschießen. Jeglicher Versuch, den Gorilla zu betäuben, hätte zu lange gedauert und das Leben des Kindes riskiert, so die Erklärung.
Nun drehen Tierfreunde in Divisionsstärke durch. Sie attackieren den Zoo, 200.000 Menschen fordern eine Bestrafung der Mutter, weil die ihre Aufsichtspflicht verletzt und damit den Tod des Tiers verursacht habe. Mittlerweile hat sich die Polizei von Cincinnati eingeschaltet und versucht nun, das Verhalten der Eltern zu rekonstruieren, wie sie auf Twitter mitteilte.
Dennoch: Tausende Hasskommentare ließen die Frau ihre Facebook-Seite abschalten, auch ihr Arbeitgeber wird vom Mob attackiert. Man wünschte sich einen Bruchteil dieses Furors, wenn es darum geht, die Lebensbedingungen von sozial benachteiligten Kindern zu verbessern.
Oder die von Gorillas in freier Wildbahn. Beziehungsweise dem, was davon noch übrig ist. Gorillas sind von der Ausrottung bedroht. Die Weltnaturschutzorganisation geht von einem Bestandseinbruch um 80 Prozent bis 2046 aus. Grund: eine Ebola-Epidemie und der schrumpfende Lebensraum durch Abholzung, Bergbau und dramatisch ansteigende Wilderei.
Denn wo Gorillas vorkommen, wird Coltan abgebaut, das wiederum für die Produktion von Handys benötigt wird. Für genau jene Handys also, auf denen jetzt der Shitstorm gegen die Mutter orchestriert wird. Und gegen einen Zoo, in dem die Menschenaffen normalerweise eine letzte sichere Zuflucht finden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?