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Querspalte

Erotische CDU

Ganz viele Leute sind ganz furchtbar langweilig. Gar nicht böse oder ekelerregend. Einfach nur langweilig. Und ständig sitzt man neben ihnen, und aus irgendeinem Grund gibt es kein Entrinnen. Wenn wenigstens der Kellner käme oder ein paar Terroristen oder am Nebentisch ein Glas umfiele. Das ließe ein bisschen Spannung aufkommen.

 Bisher gab’s nicht einmal Geld für diese Qual, obwohl kaum etwas so anstrengend ist wie der Umgang mit Langweilern. Aber jetzt lässt RTL 2 immerhin 250.000 Mark für die Person springen, die es am längsten in der Gesellschaft von Leuten aushält, mit denen man schon eingesperrt werden muss, um mit ihnen längere Zeit zu verbringen. Wer dabei lediglich zuschaut, kriegt allerdings nichts.

 Trotzdem wird die Quote gut sein. Das ist sie immer bei Sendungen, von denen behauptet wird, dass sie eine Kontroverse auslösen. Aber zu verstehen ist es nicht. Wir wissen doch alle ohnehin viel mehr über andere Leute, als wir je zu erfahren wünschten. Nicht die Offenbarungen: die Geheimnisse sind es, die das Miteinander erträglich gestalten. Was wäre das Leben ohne Rätsel! Ob Richard von Weizsäcker einmal in der Nase gebohrt hat? Wir werden es nie erfahren. Wie schön. In mehr als einer Hinsicht.

 Die totale Öffentlichkeit ist die totale Langeweile. Aber auch in einer Zeit, in der die Fernbedienung das gute, alte Schlüsselloch ersetzt, gibt es noch einige wenige, die einen magischen Schleier über das gleißende Licht des öden Alltags werfen. Die CDU zum Beispiel. Welcher Zauber liegt in diesen Tagen über der Partei!

 Das soll ihr erst mal jemand nachmachen. Den Sieger (oder die Siegerin) in einem Turnier ausrufen zu lassen, in dem sich niemand um die Trophäe bewirbt und das beendet sein soll, bevor die Teilnehmer zum Wettkampf angemeldet sind. Das Urteil einem magischen Kreis zu überantworten, von dem auch die Beteiligten bis zum Schluss nicht wissen, ob sie eigentlich dazu gehören. Das ist Dialektik, das ist Erotik, das ist Mysterium.

 Die Suche nach der künftigen CDU-Führungskraft im Zeichen der neuen, demokratischen Transparenz hat einen höheren Unterhaltungswert als jede Fernsehshow. Sie ist sehr, sehr komisch. Und gar nicht langweilig. Eigentlich müsste das bezahlt werden. Das wäre wenigstens mal ein redlich verdienter Geldsegen. Bettina Gaus

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