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Ernte In Guatemala ist jedes zweite Kind unterernährt. Die Bauern warten auf Regen, das Land auf politischen WandelEine Krankheit namens Hunger

AUS CONACASTE, JOCOTÁN UND GUATEMALA-STADT Ingo Arzt

Die karge Erde schwitzt das letzte Wasser in der Mittagshitze aus. Möge Gott doch bald Regen schicken, damit die Maispflanzen an den steilen Hängen groß werden und endlich, nach Jahren des Mangels, reiche Ernte bringen.

Das ist die Hoffnung hier oben im Hochland Guatemalas, wo das Leben von Juan Ramos Roque einfach und hart ist. Ein klein gewachsener, drahtiger Mann von 46 Jahren, verheiratet, sechs Kinder, von der Volksgruppe der Chortí. Er nimmt kurz seine Basecap ab, wischt sich den Schweiß von der Stirn und sagt: „Das ist eben die Arbeit derer, die nicht lesen und schreiben können.“ Kein Vorwurf in seiner Stimme, eher die Melodie eines Vaters, der das Wesen der Welt erklärt.

Dann macht er sie vor, seine Arbeit auf einem kargen Steilhang, an dem er kaum stehen kann: den Boden mit der Machete durchpflügen, an jedem Pflänzchen die Erde lockern, Unkraut ausreißen, jeden Tag, außer sonntags. Es reicht nicht, um die Kinder sattzubekommen.

Juan Ramos blickt ins Tal hin­ab. Ein Bach frisst sich dort seinen Weg durch die Erde, die Wasserquelle des Dorfs, die immer wieder versiegt. Rings her­um Berge, gesprenkelt mit Maisfeldern wie das seine, dazwischen einzelne Bäume oder Reste von Wäldern. Die Hänge sind von ausgetrockneten Sturzbächen zerfurcht, die sich in der Regenzeit bilden. Sie spülen die fruchtbare Erde von den Bergen herunter.

Ein staubiger Weg windet sich den Berg hinauf, manchmal so steil, dass selbst die Geländewagen der Hilfsorganisationen kaum hochkommen. Sie bringen Säcke mit Bohnen und Reis, ohne die Juan Ramos und seine Familie kaum überleben würden. Die Menschen, die auf dem Berg leben, sind fast schutzlos höheren Kräften ausgesetzt.

Eine davon ist der Pazifik. Entlang der Westküste Südamerikas bringt der gewaltige Humboldt­strom kaltes Wasser nach Norden in Richtung Äquator. Doch alle paar Jahre reißt er ab und das Wetter im gesamten Pazifikraum spielt verrückt: El Niño nennt sich dieses Phänomen. Auf Juan Ramos’ Feldern fehlt dann der Regen, wenn der Mais blühen sollte, es gibt eine Missernte. Seit drei Jahren geht das so, im vergangenen Herbst war es besonders schlimm.

Achtjährige sehen hier aus, als seien sie erst vier

Ganz Zentralamerika hat mit Wetterphänomenen wie El Niño zu kämpfen. Der „Corridor Seco“, der Trockenkorridor, zieht sich von Nicaragua hoch nach Mexiko. In El Salvador, Guatemala und Honduras brauchen nach UN-Angaben 3,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. In manchen Regionen Guatemalas sind bis zu 90 Prozent der Kinder chronisch unterernährt, schätzen Hilfsorganisationen.

Zu den Kräften, die Juan Ramos’ Schicksal bestimmen, gehört auch der Klimawandel. Er macht El Niño immer heftiger, den Trockenkorridor immer trockener. Zentralamerika gehört zu den verwundbarsten Regionen der Welt.

Immer mehr Menschen machen sich auf in Richtung Norden, US-Vizepräsident Joe Biden sieht „die Sicherheit und den Wohlstand Zentralamerikas“ untrennbar mit dem der USA verbunden.

Der Klimawandel verschlimmert die Situation, doch der Ursprung der Armut liegt woanders: in der Korruption, der Geschichte Guatemalas, den Drogenkartellen, dem unfairen Handel mit reicheren Ländern, alles bedingt sich.

Conacaste, das Dorf von Juan Ramos, liegt rund fünf Autostunden östlich von Guatemala-Stadt. Die Kinder in Conacaste sind nicht abgemagert, sondern chronisch unterernährt. Man erkennt das erst, wenn man nach dem Alter fragt. Achtjährige sehen hier aus, als seien sie erst vier.

Auch die Väter und Mütter sind klein, aber es liegt nicht an den Genen: Die Chortí, zu denen Juan Ramos’ Familie ­gehört, sind schon im vor­letzten Jahrhundert aus den Tälern ver­trieben worden. Seitdem gehört das fruchtbare Land anderen, ­seitdem leiden die Menschen hier unter Mangelernährung.

Im Tal, auf der Straße zur Provinzhauptstadt Jocotán, sind die Tankstellen gut bestückt. Bei der Imbisskette Pollo Campero gibt es Chicken Wings im Angebot. Oben versorgen die Auslandshilfe des Arbeiter-Samariter-Bundes, die diese Recherchereise organisiert hat, und das World Food Programm die Menschen mit dem Nötigsten. Die Journalisten und Helfer nächtigen im Tal in einem Hotel mit Reitanlage und Swimmingpool.

Der Hunger in Guatemala ist versteckt, verteilt in den Dörfern, in einem Land, das mit seinen Kaffeeplantagen und seinem üppigem Grün in den Tälern oft alles andere als trocken und bedroht aussieht. Aber auch ohne El Niño beginnt der Zyklus des Hungers jedes Jahr erneut, nur schwächer.

Der chronische Mangel raubt den Kinder die Entwicklung, sie bleiben mental und körperlich zurück. Die Hungersnot ist nicht akut, es regnet ja immer wieder. Nach dem Regen ziehen die Journalisten weiter. Es gibt keine erschütternden Bilder von Kindern mit Hungerbäuchen. Der Hunger, er ist hier viel subtiler, wie eine Krankheit, die das Leben kaputt macht, aber nicht tötet.

In der Provinzhauptstadt Jocotán gibt es eine von vielen Stationen im Land, in denen Ärzte diese Krankheit bekämpfen. Gegenüber dem Ernährungszentrum, von dem der hellblaue Putz abblättert, wacht der heilige Apostel Santiago von seiner Kirche aus über die Stadt. Alejandro Zurita Marcus ist Regionaldirektor der Auslandshilfe des Arbeiter-Samariter-Bundes. 2002 war er das erste Mal hier. Danach konnte er die dünnen Arme und Beine der Kinder, ihre apathischen Augen, ihr seltenes Lachen, das in ein animalisches Krächzen überging, nicht mehr vergessen. Seitdem leistet er Nothilfe, war in Palästina, Georgien, Indonesien und vielen anderen Ländern.

In zwei Räumen des Ernährungszentrums stehen Gitterbetten, die sich Frauen aus den umliegenden Dörfern mit ihren Kindern teilen. Sie sollen hier wieder aufgepäppelt werden.

Im Ärztezimmer hält Alejandro Zurita ein Mädchen auf dem Arm, Kimberly heißt sie. Die Mutter hat ihr extra für den Arztbesuch zwei Zöpfchen geflochten und ihr ein Kleid mit Rosen darauf angezogen. Zur Beruhigung hält Kimberly ein grünes Gummistachelschwein in den Händen.

„Man sieht die Unterernährung überall an ihr. Der Umfang der Oberarme, die stumpfen Haare, sie lächelt nicht, sie schaut einen kaum an“, sagt Zurita. Obwohl sie schon 17 Tage in Behandlung ist, ist sie immer noch viel zu dünn. Die Kleine gibt kurz ein erfreutes „Jaaa“ von sich. Sie spricht kaum, mit dreieinhalb Jahren. Dann legt sie wieder ihren Kopf zur Seite und lässt ihn wie ein Säugling baumeln.

Später, nach dem üppigen Abendessen im Hotel, sitzt Alejandro Zurita auf der Veranda am Pool. Er hat sich an die Gegensätze zwischen Mangel und Hotelkomfort gewöhnt, den Anblick der hungernden Kinder wird er nie akzeptieren. Zurita ist 47, sein Haar ist leicht ergraut. Für eine eigene Familie fehlte ihm stets die Zeit. Mit seiner sonoren, ruhigen Stimme könnte er den Kindern auch Märchen vorlesen.

2014 kam Zurita nach zwölf Jahren wieder nach Guatemala: „Es haben sich kleine Dinge geändert. Bessere Betten in den Gesundheitszentren. Hier und da eine neue Straße. Die strukturellen Probleme haben sich nicht geändert.“ Noch immer ist das Land unter ein paar Großfamilien aufgeteilt. Eine Agrarreform, um den Indigenen wenigstens etwas Land zurückzugeben, scheint unmöglich.

Der letzte Versuch unter Präsident Jacobo Árbenz endete 1952 in einer Katastrophe. Die CIA rüstete zum Schutz der US-amerikanischen United Fruit Company einen Exilmilitär, Castillo Armas, mit Truppen aus und bombte ihm den Weg in die Hauptstadt frei. Es folgten fast vier Jahrzehnte Bürgerkrieg. Militärs und Todesschwadrone töteten 200.000 Menschen und verschleppten 5.000 Kinder. Mayas und andere Indigene kämpften für ihre Rechte und wurden als Linke und Oppositionelle bekämpft. Eine von ihnen, Rigoberta Menchú, bekam 1992 den Friedensnobelpreis. 1996 handelten die Vereinten Nationen einen brüchigen Friedensvertrag aus.

Gerüchte kursieren im Dorf – was wollen die Fremden?

Das alte lateinamerikanische Problem der Landverteilung, um das so viele Kämpfe ausgetragen wurden, ist für Alejandro Zurita nach wie vor der Schlüssel zu einer Lösung des Hungerproblems. Er erzählt in fließendem Deutsch, seine Familie floh 1973 vor der Militärdiktatur Augusto Pinochets aus seiner Heimat Chile nach Dresden.

„Man sieht die Unterernährung überall an ihr. Der Umfang der Ober­arme, die stumpfen Haare, sie lächelt nicht, schaut einen kaum an“Alejandro Zurita,Ernährungszentrum von Jocotán

Rund 40 Prozent der 16,5 Millionen Einwohner Guatemalas sind Indigene, die meisten sind arm. Gruppen wie die Chortí leben seit Generationen in den Bergen, teilen das wenige Land immer weiter unter ihren Nachkommen auf, roden in ihrer Not immer mehr. „Das ist ein ethisches Problem: Schützt man die Umwelt und pflanzt wieder Bäume gegen die Erosion, dann können die in den Bergen keine Grundnahrungsmittel mehr anbauen“, sagt Zurita. Im Hintergrund planschen Hotelgäste im Pool, ein paar Moskitos nerven. Eine Lösung? Nothilfe, wenn der Hunger kommt, das ist sein Credo. Das Land in den Bergen ist eigentlich schon verloren.

Ob Juan Ramos das ahnt? Es sind einfache Leute in seinem Dorf Conacaste. Die Entwicklungshelfer liefern nicht nur Nahrung, sondern versuchen auch, die Erosion zumindest zu verlangsamen. Dazu arbeiten sie sich mühevoll von Familie zu Familie vor. Sie wollen die Bauern dazu bewegen, Terrassen in den Hängen anzulegen, wie schon die Inka es taten. So würde der Boden länger halten.

Die Helfer schleppen Wasser die steilen Hänge hoch, versammeln die Bauern und schütten es auf Versuchsfeldern hinab. Wo die Bauern den Wald vorher abgebrannt haben, reißt das Wasser den fruchtbaren Boden mit. Wo der Wald mit der Machete gerodet wurde, halten die noch intakten Wurzeln die Erde. Seitdem Juan Ramos das gesehen hat, brennt er nichts mehr ab.

Manche Lektionen sorgen für Misstrauen. Als Juan Ramos nach dem Besuch seines Feldes die schmalen Pfade hin­ab ins Dorf geht, fasst er sich ein Herz. Die Augen unter seiner Che-Mütze zusammengekniffen, sagt er, er habe jetzt auch mal eine Frage. Er druckst herum, schaut verlegen ins Tal und fragt, ob das Gerücht stimme, das im Dorf umgehe. „Einige sagen, dass die Fremden, die hierherkommen, uns überhaupt nicht helfen wollen.“ Juan Ramos zögert und setzt noch mal an: „Also, die Leute sagen das, nicht ich. Sie sagen, dass die Fremden uns das Land wegnehmen wollen.“

Die Fremden, das sind die Helfer und heute die Journalisten, die mit den Bauern die Felder erklimmen und Fragen stellen. Juan Ramos fürchtet, sie würden ihn bald zwingen, Bäume zu pflanzen und die Felder aufzugeben. Ein Mitarbeiter des Hilfsprogramms kommt außer Atem den Berg hochgelaufen und versucht die Situation zu klären.

„Señor Ramos, Sie sind doch in diesen Bergen aufgewachsen?“, sagt er.

„Ja, das bin ich. Und mein Großvater und die Generationen davor“, sagt Ramos.

„Und wie haben diese Berge ausgesehen, als ihr Großvater noch auf die Felder ging?“

„Sie waren voller Wald. Überall.“ Ramos zeigt auf die Berge, als streichle er das Bild einer alten Erinnerung.

„Und wie war das mit dem Wasser damals?“

„Oh, da hatten wir viel, und die Ernten waren gut.“

Der Mitarbeiter erklärt, warum die Bauern nicht alle Bäume für Feuerholz abhacken sollten. Und dass niemand, wirklich niemand ihnen die Felder wegnehmen wolle. Das seien böse Gerüchte von denen, die neidisch darauf sind, dass er Mais und Bohnen kostenlos bekommt.

Die Lieferungen der Hilfsorganisationen reichen nicht für alle Familien. Nur die ärmsten bekommen etwas. Wer ein neues Dach aus Zinkblech auf seiner Hütte hat, gilt schon als nicht mehr bedürftig. Ob Juan Ramos überzeugt ist, ist schwer zu sagen. Irgendwann schultert er seine Machete und macht sich auf den Weg zu seiner Hütte, wo er seine Familie vorstellen will.

Für Juan Ramos’ Land gibt es wenig Hoffnung, es ist zu steil und zu karg. Aber eine andere Hoffnung gibt es, den Hunger zu lindern. In Guatemala ändert sich etwas. Zumindest ein bisschen.

Aufbruchstimmung vergeht, was bleibt, sind Gebete

Nach dem Friedensschluss 1996 haben die alten Militärs korrupte Kartelle gebildet und sämtlich Institutionen im Land unterwandert. 2006 haben die Vereinten Nationen deshalb ein weltweit einmaliges Projekt gestartet: mit der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala, kurz Cicig. Ermittler und Staatsanwälte aus dem Ausland versuchen, die mafiösen Strukturen in Justiz, Politik, ­Wirtschaft und Polizei zu zerschlagen. Sie sind auf Einladung der Regierung hier und ordnen sich guatemaltekischem Recht unter.

Als Expräsident Pérez Molina die Cicig im vergangenen Jahr aus dem Land werfen wollte, gingen Hunderttausende auf die Straße. Guatemala entdeckte die Macht der Zivilgesellschaft. Die UN-Ermittler deckten zeitgleich ein mafiöses Netzwerk rund um Molina auf – heute ist er entmachtet und in Untersuchungshaft. Der neue Präsident, Jimmy Morales, ein ehemaliger Fernsehkomiker, gilt zwar nicht als Lichtgestalt, aber die Wahlen im vergangenen Jahr brachten auch Abgeordnete aus der ­Protestbewegung ins Parlament.

In der Parlamentskommission für Ernährungssicherheit in Guatemala-Stadt sind sie sich parteiübergreifend einig, dass der Hunger ein Ende haben muss. Aber: „Wir haben weder die Mittel noch die Strukturen, an der Situation etwas zu ändern“, sagt der Vorsitzende Daniel Bernabé Portillo Calderón. „Es gibt zu viele Probleme. Korruption, Armut, wir können nicht alles an einem Tag lösen.“

Dem Staat fehlt Geld für Bildung, Infrastruktur und Nothilfe. Deshalb versuchen einige Parlamentarier gerade, neue Steuergesetze zu schaffen. Denn im Land zahle fast niemand Steuern. Eine Justizreform soll Standards für die Qualifikation von Richtern setzen. Sie kämpfen für ein Gesetz, mit dem Drogenkartellen die Ländereien genommen werden sollen, um sie an einfache Bauern zu verteilen. Bald soll an staatlichen Schulen zumindest eine Zwischenmahlzeit serviert werden.

Kleine Schritte, von denen Beobachter sagen, dass sie zu klein sind. Alejandro Zurita sagt, er habe das schon oft erlebt: Diese Aufbruchstimmung, und am Ende bleibt doch wieder nur die Nothilfe.

Juan Ramos bekommt in seinem Dorf wenig von alldem mit. Er sieht nachdenklich aus, zeigt auf dem Weg zu seiner Hütte auf Maisfelder, auf denen die Pflanzen besser wachsen, weil sie später ausgesät wurden. Auch so ein Trick der Entwicklungshelfer: bessere Anbaumethoden am Rand des Dorfs anwenden, wo sie alle sehen.

Juan Ramos’ Heim liegt zwischen Mangobäumen und Palmen. Ein Strohdach liegt auf einer Palisade aus schilfdünnen Baumstämmen, zwischen denen sich die Hühner ihren Weg ins Innere der Hütte picken. Dort ist es schummrig, Ehefrau Maria Argentina Lopez patscht mit der ältesten Tochter gerade Maistortillas flach und brät sie auf einem Blech über der Feuerstelle am Boden. Die Hütte ist so klein wie ein Familienzelt, es gibt weder Strom noch Möbel, der Fußboden ist die blanke Erde.

Die Kinder sind aufgeregt, wollen die Fotos auf den Displays der Journalisten sehen – „Das bin ich, da ist sogar der Hund.“ Unterernährt sehen sie nicht aus, nur klein für ihr Alter. Maria Argentina Lopez, 30 Jahre, hat hier das Sagen, das verraten ihre herrisch funkelnden Augen, wenn sie die Kinder zur Ruhe mahnt.

Ist das hier ihr ganzes Leben? Tortillas machen für Juan Ramos, der vom Feld kommt? Soll die Tochter auch so leben? „Nein, ich will, dass sie in die Schule geht“, sagt die Mutter und bietet eine Tortilla und dazu Salz aus der Hand an. „Sie muss mal weg von hier und Arbeit finden.“ Die Tochter ist acht, kann aber noch nicht lesen, weil die Lehrerin nur alle zwei Wochen aus dem Tal ins Dorf kommt. Der Fladen ist saumäßig heiß und schmeckt. In den Dörfern essen sie fast nichts anderes.

Momentan lebt die Familie von Hilfslieferungen. Das gesparte Geld ist längst verbraucht. Ab Februar macht sich Juan Ramos normalerweise auf mit dem Bus über die Grenze nach Honduras, um auf einer Kaffeeplantage anzuheuern. Umgerechnet 120 Euro verdient er dort im Monat. Doch in diesem Jahr fällt selbst das weg: In Honduras wütet La Roja, der Kaffeerost, ein Pilz, der die Bohnen absterben lässt. „Wir sind arm, wir können nicht einfach woandershin“, sagt Ramos, der noch am Eingang der Hütte steht, weil drinnen kein Platz mehr ist.

Die fast 90-jährige, zahnlose Großmutter, eine Zwergin, die Haut knorrig wie das Holz der selbst gezimmerten Bänke in der Hütte, streichelt den Besuchern übers Haar und segnet sie im Namen des Herrn, El Señor. Der Glaube ist hier sehr wichtig und, so sagen die Entwicklungshelfer, oft ein Problem: Statt die unterernährten Kinder zum Arzt zu bringen, wird gebetet.

Als ob der Herr prompt auf den Segen der Großmutter antwortet, kommt ein Sonnenstrahl durch ein Loch im Dach in die Hütte hinein. Wie eine göttliche Lichtsäule steht er neben Juan Ramos’ Frau. Die findet das überhaupt nicht heilig. Bis der Regen kommt, müsse er das Loch stopfen, sagt sie in Richtung ihres Ehemanns.

Mitte Juli kam er dann endlich, der Regen. „Die Ernte ist hoffentlich sicher“, sagt Alejandro Zurita am Telefon. El Niño ist vorbei, im September kommt wahrscheinlich La Niña, wieder so ein Wetterphänomen. Der Pazifik vor Südamerika ist dann kälter als sonst, und auf den Felder von Juan Ramos regnet es zu stark. Die zweite Ernte im Januar könnte ausfallen. Wieder so eine höhere Macht.

Ingo Arzt, 38, ist Wirtschafts-und Umweltredakteur der taz. Die Reise nach Guatemala wurde vom Auswärtigen Amt und dem Arbeiter-Samariter-Bund finanziert

Der Arbeiter-Samariter-Bund nimmt Spenden für seine Arbeit vor Ort entgegen, ebenso die Kindernothilfe und Misereor

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