Erneutes Verfahren wegen Demo 2011: Antifa-Aktivist wieder vor Gericht
Schon wieder wird der Berliner Tim H. wegen Krawallen auf einer Dresdner Anti-Nazi-Demo angeklagt. Emotional und finanziell belaste es ihn stark.
Tim H. war 2013 vom Amtsgericht Dresden wegen Körperverletzung und besonders schweren Landfriedensbruchs zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. In der Dresdner Südvorstadt, wo die Polizei weiträumig den Aufmarschplatz der Rechten am Hauptbahnhof sichern wollte, soll er per Megafon zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgerufen haben. Einige Polizisten wurden dabei verletzt. Im Vorbeistürmen soll außerdem gegenüber einem Beamten das Schimpfwort „Nazischwein“ gefallen sein. Die Vorwürfe stützen sich maßgeblich auf polizeiliche Videoaufzeichnungen.
Nachdem sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Berufung eingelegt hatte, hob das Landgericht zwei Jahre später das Urteil auf. Übrig blieb nur die Beleidigung des Polizisten, die mit 4.050 Euro Geldstrafe geahndet wurde. Die Videos zeigten bei genauer Analyse bis zu fünf Demonstranten mit Megafonen, Tim H. war wohl nur wegen seiner Körpergröße aufgefallen. Nach einer Revision beider Seiten verwies das Oberlandesgericht Sachsen den Fall zurück an eine andere Kammer des Landgerichts. Dessen Vizepräsident Martin Schultze-Griebler führt nun die Hauptverhandlung.
In der Beweisaufnahme ergaben sich bis zum Nachmittag keine neuen belastenden Erkenntnisse. Ein mit der Videoauswertung befasster Kriminalbeamter meinte zwar, H. an verschiedenen Orten identifiziert zu haben. In einer Führungsfunktion habe er ihn aber „nicht direkt handeln gesehen“. Aufforderungen zu Straftaten seien nicht feststellbar, über H.s Zugehörigkeit zu linken Gruppen und Organisationsstrukturen sei nichts bekannt. Ein erneut als Zeuge gehörter Anwohner trug zur Aufklärung nichts bei. Das von der Staatsanwaltschaft beauftragte Stimmengutachten konnte nur den Ruf „nach vorne“ klarer belegen, ihn aber nicht einem bestimmten Rufer zuordnen.
In einer kurzen persönlichen Erklärung bezeichnete der 40-jährige Angeklagte die nunmehr fünfjährige Prozessdauer als emotionale und finanzielle Belastung. Etwa 10.000 Euro Kosten seien ihm bereits entstanden, die teils durch Spenden von Freunden aufgefangen werden. Die beiden Anwälte von Tim H. forderten, „nicht mehr die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen“. Nach Einsicht in die Originalvideos unterstellten sie erneut manipuliertes Polizeimaterial, das die erstinstanzliche Verurteilung beeinflusst habe. Als nächster Verhandlungstag ist der 6. Januar angesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!