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Erneuerbare EnergienSigmars Strompreis-Stigma

Und das im Wahljahr: Ab nächstem Jahr müssen Kunden mehr Geld zur Förderung erneuerbarer Energien zahlen. Gabriel hatte was anderes versprochen.

Voll doof, dieser Strompreis Foto: dpa

Berlin taz | Das könnte für Sigmar Gabriel zum Problem werden: Nach Berechnungen des Thinktanks Agora Energiewende steigt im nächsten Jahr die EEG-Umlage an, auf 7,1 bis 7,3 Cent pro Kilowattstunde. Derzeit liegt sie bei 6,35 Cent.

Dabei hatte Energieminister Gabriel (SPD) stets versprochen, die „Kostendynamik bei der Energiewende“ zu durchbrechen – und sich zugutegehalten, das auch zu erreichen: Seit 2013 stieg die Ökostromumlage kaum, 2015 sank sie sogar marginal. Die Umlage zahlen die Verbraucher mit ihrer Stromrechnung, sie galt als Preisschild der Energiewende, auch wenn das faktisch wenig Sinn ergab. Gabriel nahm das Bild dankbar auf und verkündete etwa noch 2014: Seine Reform habe eine „unmittelbar preisdämpfende Wirkung“ entfaltet.

Das könnte Gabriel nun ausgerechnet im Wahljahr auf die Füße fallen. Denn auch wenn die Zahlen von Agora nur vorläufig sind, der Trend ist klar: Die Umlage wird steigen. War wohl nichts mit „Kostendynamik brechen“.

Allerdings wird sein Ministerium die Sache anders verkaufen. Momentan schweigt es zwar auf Anfrage, weil die Zahlen nur vorläufig seien. Aber bereits im vergangenen Jahr benutzte Gabriel ein neues Preisschild für die Energiewende: EEG-Umlage plus Börsenstrompreis. Was Sinn ergibt: Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien erhalten stets die Differenz aus dem Verkauf des Stroms an der Börse und einem Garantiepreis für ihren Strom. Diese Differenz wird mit der EEG-Umlage finanziert. Sinkt der Börsenpreis, steigt die EEG-Umlage.

Unterstützung aus den eigenen Reihen

Genau auf diesen Effekt entfällt über ein Drittel des Anstiegs 2017; 0,34 Cent sind darauf zurückzuführen. 0,18 Cent zusätzlich geht an neue Windparks auf dem Meer und nur 0,11 Cent an neue Wind- und Solaranlagen an Land. „Die Kosten für die Stromverbraucher bleiben weitgehend konstant, wenn die Stromvertriebe ehrlich rechnen und ihre gesunkenen Einkaufspreise weitergeben“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Genauso wird auch Gabriels Ministerium argumentieren.

Der bekommt auch trotz Sommerloch Unterstützung aus den eigenen Reihen. „Es ist falsch, Sigmar Gabriel für die steigende EEG-Umlage verantwortlich zu machen“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete und Energieexpertin, Nina Scheer, der taz. Die Diskussion über die steigende EEG-Umlage solle nicht dazu verleiten, den Ausbau erneuerbarer Energien infrage zu stellen.

Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kritisiert Gabriel dagegen. Die Entgelte für die Stromnetze seien viel zu hoch, auch wegen eines überdimensionierten Ausbaus. Der Strompreis an der Börse sei so niedrig, weil überschüssige alte, ineffiziente Kohlekraftwerk am Netz seien. „Die Verantwortung dafür trägt der Wirtschaftsminister“, sagte sie der taz.

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7 Kommentare

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  • Sämtliche Fördergelder sind steuer-finanziert, nur eine nicht: die EEG-Förderung. Enst unter Trittin war es ein Kompromiss. Gerne hätten es die Grünen anders implementiert, doch der Basta-Kanzler blieb hat, so oder gar nicht.

     

    Seitdem gab es viel Zeit, das System zu verbessern, doch es wurde verschlimmbessert. Statt die ungerechte Ausnahme für energiehungrige Betriebe zurückzudrehen, wurde sie auf immer mehr Betriebe ausgeweitet.

     

    Die dringend erforderliche Anpassung der Berechnungsgrundlage unterblieb. Stattdessen werden die Erneuerbaren gedeckelt.

     

    Gabriel betreibt reine Konzernpolitik. Die schächelnden EON und RWE sollen gestützt werden. Zudem steht die SPD mit irrationaler niebelungentreue zur Kohle. Dabei wäre klar: wenn alle Baunkohlekraftwerke abgeschaltet würden, würde der Strompreis sinken. Doch der Bürger soll zahlen. Danke SPD :(

  • Was in Deutschland abgeht, ist Realsatire. Vor vier Monaten erklärte die Bundesregierung, man wolle Offshore stärker ausbauen, als nach Fukushima beschlossen.Gleichzeitig prügelt man Windkraft an Land zu Boden. Warum das ? Offshore íst teurer als Photovoltaik, während Onshore heute die günstigste Form der Stromerzeugung ist. Einfache Antwort: Hinter Offshore stehen RWE, Eon oder Vattenfall, sowie Siemens als Turbinenbauer. Dann darf es ruhig teuer sein, wenn es dem Wohl der großen Konzerne dient. Und jetzt steht man mit verweintem Gesicht vor der Öffentlichkeit, und erklärt, dass die EEG Umlage auf über 7 cent steigt. Wenn es nicht traurig wäre, man könnte lachen

  • Gegenwärtig wird ein neues "ganz altes" Thema durch die Medien gewälzt: Führerscheinentzug für Väter, die keinen Unterhalt zahlen.

     

    Es mag ja in Ordnung sein, die charakterliche Eignung für etwas in Frage zu stellen, wenn sich an anderer Stelle schwere Charaktermängel zeigen.

     

    Doch das sollte dann ganz vorrangig auch für die Politik und für öffentliche Ämter gelten. Wer lügt und täuscht, hat bewiesen, daß er charakterlich nicht geeignet ist, ein öffentliches Amt zu bekleiden!

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Wer nimmt den denn noch ernst?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Was fällt Gabriel denn nicht auf die Füße? Das macht ihn doch gerade zum idealen Kanzlerkandidaten der SPD. Watschenmann der Republik.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      wer aufmerksam ist, hätte gemerkt, dass Gabriel Olaf Scholz intronisieren möchte. Für sich sieht er keine Zukunft. Doch statt den Weg frei zu machen, versucht er mit aller Macht Seeheimern und Kanalarbeitern alle Spitzenposten zu sichern. Die Monarchisten aus Hannover sollen die Republik regieren.

  • Vielleicht ist schon jemand aufgefallen, dass immer noch fast alle Stromintensiven Betriebe vom EEG ausgenommen sind. Oder, dass nirgendwo die Summe der eingesparten Fossil & atomaren Brennstoffe gegengerechnet werden. Was ist mit den vermiedenen Folgekosten? Wir werden von Milchbuben regiert und "Agora" ist auf keinen Fall zu verwechseln mit dem öffentlichen Ort, an dem alle Betroffenen an der Diskusion und an den Entscheidungen partizipieren.