Erneuerbare Energien in der Krise: Windbranche mit Milliardenverlusten
Die Konzerne kämpfen mit Lieferkettenproblemen und Einbußen. Nun gibt der Energieriese Ørsted zwei Offshoreparks in den USA auf.
Schon wieder ein Tiefschlag für die kriselnde europäische Windkraftbranche: Der dänische Energiekonzern Ørsted, der größte Entwickler von Windprojekten weltweit, teilte am Mittwoch mit, er habe zwei große Offshore-Projekte in den USA gestoppt. Dabei geht es um die Windparks Ocean Wind 1 und 2 mit jeweils rund 1,1 Gigawatt Nennleistung vor der Küste des US-Bundesstaats New Jersey.
Im Zusammenhang mit diesem Rückzug muss das Unternehmen nun 3,8 Milliarden Euro abschreiben und schließt deswegen die ersten drei Quartale des Jahres mit 2,7 Milliarden Euro Miesen ab. Die Kapitalrendite lag in der Zeit nach Firmenangaben bei minus 14 Prozent. Entsprechend brach die Unternehmensaktie nach der Vorstellung der Quartalsbilanz am Mittwoch um mehr als 20 Prozent ein.
Ursache des Projektstopps in den USA seien aus dem Ruder laufende Kosten, heißt es aus der Firmenzentrale. Der Anstieg der langfristigen US-Zinsen habe die Geschäftsaussichten verschlechtert, zudem gebe es Probleme in der Lieferkette. Die Gefahr, dass die Maschinen nicht zeitgerecht geliefert werden können, sei zu groß geworden, dabei spiele auch die weltweite Knappheit an geeigneten Transportschiffen eine Rolle.
Es trifft nicht nur die Dänen
Die Mitteilung der Firma Ørsted schreckt die Windbranche besonders deswegen auf, weil das Unternehmen mit 9.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 17,8 Milliarden Euro zu den großen Akteuren im Metier gehört. Der Konzern – einst ein Erdgasunternehmen, das später unter dem Namen Dong Energy firmierte – hat sein fossiles Geschäft inzwischen verkauft und ist nun weltweit in der Windkraft und auch in der Bioenergie tätig. In Deutschland schuf sich Ørsted im September 2022 mit der Übernahme des Regensburger Wind- und Photovoltaikprojektentwicklers Ostwind eine starke Position.
Es trifft nicht nur die Dänen. Derzeit kämpft die Windbranche insgesamt – und belastet damit die Energiewende. Im dritten Quartal schrieb der Ölriese BP bereits 540 Millionen Dollar für Windprojekte ab, nachdem der Bundesstaat New York einen Antrag auf bessere Konditionen abgelehnt hatte. Eine BP-Managerin ließ sich mit der Aussage zitieren, die gesamte Offshore-Windindustrie in den USA sei aufgrund von Kostendruck und Verzögerungen bei den Genehmigungsverfahren „grundlegend gescheitert“.
Auch Hersteller in der Krise
Doch nicht nur Projektierer, auch die Hersteller der Maschinen, sind in der Krise. Der dänische Turbinenbauer Vestas schrieb zuletzt rote Zahlen, ebenso der deutsche Mitbewerber Nordex. Siemens Gamesa, die Windkraft-Tochter des Münchner Technologiekonzerns, musste im Sommer Qualitätsprobleme einräumen. Wegen dieser zog Siemens Energy Ende Juni seine Ergebnisprognose zurück – es folgte ein Kurseinbruch der Aktie um 37 Prozent. Seither hat das Papier weiter an Wert verloren, sodass in den vergangenen sechs Monaten ein Verlust von rund 60 Prozent auflief.
Als Konsequenz aus den Problemen schließt Siemens Gamesa vorerst für bestimmte Offshore-Modelle keine neuen Verträge mehr ab, im Offshore-Geschäft nehme man nur noch „selektiv Aufträge“ an. „Auftragseingang und Umsatz im Windgeschäft für das Geschäftsjahr 2024 werden daher voraussichtlich unter den Markterwartungen, Nettoverlust und Mittelabfluss werden voraussichtlich über den Markterwartungen liegen“, schrieb das Unternehmen in der letzten Oktoberwoche in einer Börsenmitteilung. Nach Medienberichten ist der Dax-Konzern inzwischen sogar mit dem Bund in Gesprächen – wegen möglicher Bürgschaften in Höhe von bis zu 15 Milliarden Euro.
Konkurrenz aus China
Allerdings weist das Unternehmen darauf hin, dass die Probleme nur die Windkrafttochter Gamesa beträfen. Die Finanzergebnisse der gesamten Siemens Energy AG für das Geschäftsjahr 2023 lägen „voraussichtlich vollständig im Rahmen der Prognose. Für die anderen Geschäftseinheiten – etwa die fossilen Gaskraftwerke – werde nämlich „erwartet, dass sie ihre hervorragende Leistung im Geschäftsjahr 2024 fortsetzen“.
Die Hersteller von Windkraftanlagen fürchten dagegen zunehmend auch die Konkurrenz aus China, wo riesige Fabrikationsanlagen aufgebaut wurden. Die Hersteller in Fernost hätten in Europa bereits 2,8 Gigawatt Windkraftleistung installiert oder projektiert, teilte zur Fachmesse Husum Wind im September der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mit.
Bei rund 255 Gigawatt, die Ende 2022 in Europa installiert waren, ist das zwar erst ein kleiner Anteil. Doch die staatlich geführten Firmen in China setzen auch technologisch auf Größe: Das Land verfügt bereits über einen Prototypen mit 18 Megawatt – die leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt.
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