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Ermittlungsverfahren bleiben in AktenEinmal verdächtig, immer verdächtig

Kommentar von Emma Philipp

Wegen eines Fehlers bei der Hamburger Staatsanwaltschaft stehen bis zu 80.000 Mi­gran­t*in­nen fälschlich unter Verdacht.

Sollten die Ermittlungen gegen Bakery Jatta je einstellt werden, dann vermutlich sehr diskret Foto: Christian Charisius/dpa

A us Fehlern lässt sich bekanntlich lernen. Während manche einen Fehler kein zweites Mal machen würden, brauchen andere mehrere Anläufe. So zum Beispiel die Hamburger Staatsanwaltschaft: Da gab es 80.000 Fälle, die sie darauf hätten hinweisen können, dass es in ihrem Haus Übermittlungsschwierigkeiten gibt.

Es gilt: Wann immer die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen eine Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein Strafverfahren einleitet, wird das automatisch der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt. Schließlich sollen alle möglichen Umstände in eine Aufenthaltsentscheidung einfließen.

Fair wäre nun, dass, wenn ein Verfahren eingestellt wird, die Ausländerbehörde auch darüber eine Mitteilung bekäme. Andernfalls entstünde fälschlicherweise der Eindruck, gegen die Person würde weiterhin ermittelt. Und dieser Umstand kann ja durchaus einen negativen Einfluss auf den Aufenthaltsentscheid haben. Doch bedauerlicherweise gibt es ein technisches Problem in dem behördlichen Verwaltungssystem Mesta – schon seit Januar 2018. In sage und schreibe 80.000 Fällen hat daher die Information, dass die Verfahren eingestellt wurden, die Ausländerbehörde nicht erreicht.

„Die Nichtmitteilung kommt einer Kriminalisierung von etwa 80.000 Mi­gran­t*in­nen gleich“, findet Carola Ensslen, flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion. Sie gehe davon aus, dass der Fehler der Staatsanwaltschaft die Verfahren der Betroffenen durchaus beeinflusst habe. Manche seien vielleicht sogar deshalb abgeschoben worden.

80.000-mal nachgefragt, 80.000-mal ist nichts passiert

Gut, dass der Hamburger Senat auf eine Kleine Anfrage Ensslens Rede und Antwort steht: Die Mitteilungen über Verfahrenseinstellungen seien „versehentlich nicht nachgepflegt“ worden. Zweifellos habe es jedoch keine „falschen Entscheidungen gegeben“ – schließlich hätten sich die jeweiligen Sachbearbeiter*in­nen stets und bei jedem Fall persönlich erkundigt, ob das verhältnismäßig lang andauernde Verfahren noch laufe. Also 80.000-mal nachgefragt, um explizit zu sein.

Das hält Carola Ensslen für „ausgeschlossen“. Sie fordert eine Überprüfung aller vorliegenden Fälle, denn das sei an dieser Stelle aus rechtsstaatlicher Perspektive geboten. Auf taz- Nachfrage, ob die betreffenden Fälle erneut geprüft werden, kommt vom Hamburger Amt für Migration ein entschiedenes „Nein“. Auch die Frage, wie viele dieser 80.000 Fälle schließlich ausreisepflichtig wurden, bleibt unbeantwortet.

Und auch diese Frage müssten die beteiligten Behörden sich stellen: Musste wirklich 80.000-mal das Gleiche passieren, um den Fehler im System zu finden?

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2 Kommentare

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  • Das stimmt nicht.



    Das ist kein Fehler, sondern gängige Praxis der Polizei seit über 100 Jahren:



    jeder einmal registrierte bleibt in den Daten.



    Auch Personen, die bei Protestaktionen gefilmt wurden durch das öffentlich-rechtliche (Regional)Fernsehen gelangen durch behördliche Durchwahlen in die Dateien der Verfolgungsbehörden. Auch wenn sie nur ein Flugblatt verteilen wollen, werden sie weggezerrt.



    Ich habe das so erlebt.



    Auch für die Staatsanwalt gilt: je größer der Datenpool der Polizei, desto besser. Das hat nichts mit Fehlern zu tun.

  • Gibt es bei solchen Übermittlungen bzw. Übermittlungsversuchen denn keine Eingangsbestätigung, deren Ausbleiben hätte auffallen müssen? Bei so einer Geschichte möchte man ja direkt Absicht unterstellen!