Ermittlungen nach Massenbelästigungen in Hamburg: Soko zu Sexangriffen legt los
Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen auf dem Kiez in der Silvesternacht richtet die Polizei zu dem Phänomen eine Sonder-Ermittlungsgruppe ein.
In der Praxis bedeutet das nicht, dass die Polizei plötzlich mehr oder externes Personal zur Verfügung gestellt bekommt. Die ErmittlerInnen kommen vielmehr aus verschiedenen Fachdienststellen, die von dem Phänomen tangiert sein könnten. Dazu gehören das Dezernat für Sexualdelikte, die Spezialisten für Taschenraub und das St. Pauli-Milieu, das Raubdezernat und die Kriminalprävention. Die Fachleute arbeiten in wechselnder Stärke unter einer gemeinsamen Führung zusammen.
Ähnlich ist es bei der neuen „Sonderkommission Rocker“, in der 50 Beamte aus den verschiedenen polizeilichen Ermittlungsbereichen der Organisierten Kriminalität wie Zuhälterei, Menschenhandel, Schutzgelderpressung, Raub, St. Pauli-Rotlicht-Millieu, Bandenkriminalität und Drogenhandel gebündelt werden. Die Soko war Anfang dieser Woche eingerichtet worden, nachdem der Machtkampf um den Kiez zwischen den Rocker-Clubs „Mongols“ und „Hells Angels“ kurz vor dem Jahreswechsel durch eine Schießerei und Messerstechereien eskaliert war.
Die neue Ermittlungsgruppe zur Antänzer-Kriminalität ist zurzeit vor allem auf Aussagen von Zeugen angewiesen, die die Attacken auf die Frauen beobachtet oder sogar mit dem Smartphone gefilmt haben. In der Silvesternacht waren in der Großen Freiheit im Menschengedränge Dutzende Frauen von Männergruppen „südländischen und arabischen Aussehens“ in der Größe von fünf bis 20 Personen umzingelt und durch Begrabschen sexuell belästigt und beleidigt worden. Inzwischen haben sich 53 Opfer im Alter von 18 bis 25 Jahren bei der Polizei gemeldet.
Die Antänzer-Masche im Trickdiebstahl ist ein feststehender Begriff. Sie wird in Köln auch bei Männern angewandt: Eine Person umarmt ein Opfer fröhlich schunkelnd oder verwickelt es in ein Ball-Gekicke, während ein Komplize es ausraubt.
90 Zeugenhinweise sind nach den Vorfällen auf dem Kiez bei der Ermittlungsgruppe zur Antänzer-Kriminalität eingegangen.
53 Opfer haben sich bislang bei der Ermittlungsgruppe gemeldet. 39 Frauen waren allein Opfer sexueller Belästigung und 14 Frauen wurden zudem beraubt.
Ein neues Phänomen für die Hamburger Polizei ist das Faktum, dass die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in großer Zahl und Intensität komprimiert auf engem Raum stattfanden.
Entgegen den ersten polizeilichen Erkenntnissen, nach denen die sexuelle Belästigung nach der Antänzer-Masche nur der Ablenkung gedient habe, damit Komplizen die Opfer bestehlen konnten, stellt sich das Bild mittlerweile etwas anders dar. So sind nach Erkenntnissen der Ermittler 39 Frauen ausschließlich Opfer von sexuellen Übergriffen geworden und nur 14 Frauen seien zusätzlich das Portemonnaie, Bargeld, Papiere oder das Smartphone gestohlen worden.
Gegenüber dem NDR berichtete eine 25-Jährige, dass sie und ihre Freundin plötzlich von zehn bis 25 Leuten umringt und auseinandergerissen wurden. Sie hätten „Ficki, ficki“ gesagt und ihr in den Schritt gefasst „Sie haben wirklich reingegriffen“, sagte sie. „Ich hatte wirklich in meinem Leben noch nicht so viel Angst.“
Zudem berichtet das Hamburger Abendblatt von einem gleich gelagerten Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg. „Die haben uns richtig umzingelt“, erzählte eine 16-jährige Schülerin dem Blatt. „Überall waren Hände, auch unter dem Rock.“ Niemand habe geholfen. – „Es war ekelig“, sagte sie.
Die sexuellen Übergriffe werden auch Thema der kommenden Innenausschusssitzung sein. „Die geschilderten Übergriffe auf Frauen sind nicht hinnehmbar“, kommentierte die Innenpolitikerin der Grünen, Antje Möller. Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verurteilte die Attacken auf seiner Facebookseite als „kriminell, böse und feige“.
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