Ermittlungen gegen netzpolitik.org: Maaßens Alleingang
Die Einschätzung, dass „Netzpolitik“-Redakteure Staatsgeheimnisse veröffentlicht haben, war nicht mit dem Innenministerium abgestimmt.
Maaßen hatte die Netzpolitik-Affäre mit seinen Strafanzeigen vom März und April ins Rollen gebracht. Am Wochenende hatte er jedoch betont, dass er keine Ermittlungen gegen Journalisten und schon gar keine wegen Landesverrats intendiert hatte. In der Strafanzeige, die mit dem BMI abgesprochen war, ist von Landesverrat und Staatsgeheimnissen auch nicht die Rede.
Als jedoch der zweifelnde Generalbundesanwalt Range bei Maaßen nachfragte, ob Netzpolitik Staatsgeheimnisse veröffentlicht hatte, legte Maaßen ein Behördengutachten vor und bejahte dies. Wenn ausländische Geheimdienste über die Fähigkeiten des deutschen Verfassungsschutzes informiert seien, könnte dies die äußere Sicherheit Deutschlands gefährden, so die sinngemäße Argumentation.
Zudem wurde Netzpolitik vorgehalten, dass der April-Artikel auch in einer englischen Fassung ins Netz gestellt wurde. Das habe ausländischen Diensten die Kenntnisnahme der Staatsgeheimnisse erleichtert. Range nahm das Gutachten so ernst, dass er nun ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats einleitete. Das BfV-Gutachten hat in der Affäre also eine viel wichtigere Bedeutung als die ursprüngliche Strafanzeige.
Wer also hat das Gutachten zu verantworten? Wurde das BMI vorab eingeschaltet, wie bei der Strafanzeige? Das Innenministerium bestreitet dies. Man habe erst deutlich später davon erfahren. Dass Netzpolitik Staatsgeheimnisse verletzt hat, war also nur die Rechtsauffassung des Verfassungsschutzes.
Auch heute lässt das Innenministerium offen, ob es vom Vorliegen eines Staatsgeheimnisses ausgeht. Man werde abwarten, was Justizminister Maas dazu sagt und die Positionen dann auswerten.
Justizministerium: Einschätzung bis Donnerstag
Das Justizministerium will bis spätestens Donnerstag seine Einschätzung veröffentlichen, ob es sich um ein Staatsgeheimnis handelte. Minister Maas hat aber schon am Freitag seine „Zweifel“ bekundet. Es wird damit gerechnet, dass sein Haus die Frage verneint.
Die Bundesanwaltschaft hat in einer Erklärung mitgeteilt, dass das weitere Verfahren von der Einschätzung des Justizministeriums abhängt. Im Klartext heißt dies: Sobald Maas einschätzt, dass kein Staatsgeheimnis vorliegt, werden die Ermittlungen gegen die Netzpolitik-Journalisten eingestellt. Auf das Mitte Juni angeforderte Gutachten eines externen Sachverständigen wird dann nicht mehr gewartet.
Damit macht Generalbundesanwalt Harald Range auch deutlich: Wenn das Justizministerium vorher eine klare Einschätzung zur Frage des Staatsgeheimnisses gegeben hätte, hätte er das akzeptiert und kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Doch auch Range will die Sache jetzt so schnell wie möglich vom Tisch bekommen. In der Regierungspressekonferenz hatten weder die Sprecher des Justizministeriums noch von Kanzlerin Merkel Range das Vertrauen ausgesprochen. Eine Entlassung Ranges liegt bisher aber nicht in der Luft. Schließlich endet seine Amtszeit altersbedingt ohnehin im Februar 2016.
Doch auch nach der erwarteten Einstellung des Ermittlungsverfahrens wird die Affäre nicht zu Ende sein. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele will die gesamten Vorgänge auch im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags aufarbeiten. Dann sollen alle Akten auf den Tisch kommen.
Wenn der Generalbundesanwalt die Ermittlungen wegen Landesverrats einstellt, könnten die Ermittlungen auf anderer Ebene weitergehen. Vermutlich wird er die Akten an die Staatsanwaltschaft Berlin abgeben, die dann wegen einer Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt. Dort steht allerdings die Quelle im Mittelpunkt. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses ist für Journalisten nicht strafbar.
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