Ermittlungen gegen Bremer Senatorinnen: Kommt noch ein Rücktritt wegen Rücktritt?
Die Ermittlungen gegen Bremens Wirtschaftssenatorin sind schwere Geschütze – in einem eher komplizierten als skandalösen Beamtenrechts-Fall.

A ch schau an: Das Fernsehen war gerade vor Ort, als die Staatsanwaltschaft vor einer Woche bei Bremens Wirtschaftssenatorin mit einem Durchsuchungsbefehl vorfuhr. Gegen Bremens linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt steht der Verdacht der Untreue im Raum: ein Straftatbestand. Vor ihr wurde bereits die Behörde von Bremens Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) in gleicher Angelegenheit von der Staatsanwaltschaft besucht. Moosdorf, das ist der Unterschied, war da aber schon zurückgetreten.
Jetzt gucken alle: Tritt sie auch zurück, die Vogt? Wenn es zur Anklage kommt, dann muss sie ja wohl, dickes Fell hin oder her! Und wäre das nicht zwangsläufig das Ende von Rot-Grün-Rot in Bremen? Bestimmt – packt schon mal ein! Spannend also an der Weser. Und dabei geht es eigentlich um schnödes Beamtenrecht!
Der Vorwurf gegen die beiden Senatorinnen: Sie sollen Steuergelder verschwendet haben. Als sie ihre jeweiligen Staatsrät*innen in den einstweiligen Ruhestand entlassen haben, Moosdorf 2025, Vogt schon 2023, war das die teuerste Lösung – womöglich zu Unrecht. Der „einstweilige Ruhestand“ ist eigentlich eine Art Schmerzensgeld für politische Beamt*innen. Die können nämlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen werden, wenn das Vertrauen der Regierenden fehlt.
Fehlte aber gar nicht – oder? Sven Wiebe und Irene Strebl sollen selbst um die Entlassung gebeten haben. In öffentlichen Mitteilungen wurden die beiden Staatsrät*innen von ihren Senatorinnen noch gelobt, aus einer Rundmail zu Wiebes Abschied 2023 zitierte der Weser Kurier emotionale Worte der Wirtschaftssenatorin Vogt: „Du warst immer für mich da, du hast mich beschützt und in schwierigen Zeiten bestärkt.“ So in etwa, nur noch ein bisschen länger.
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Banal ist die Frage nach den Pensionen nicht: Für ein kleines klammes Bundesland wie Bremen geht’s um eine Menge Geld. Beim einstweiligen Ruhestand summiert sich allein das „Übergangsgeld“ auf rund 325.000 Euro. Nach höchstens drei Jahren rutschen die Staatsrät*innen a. D. dann unabhängig vom Alter ins Ruhegehalt. Das liegt bei mindestens rund 4.000 Euro im Monat – und damit ein ganzes Stück über der Maximalrente. Wären die Beamt*innen aus anderen Gründen entlassen worden, hätte es Abzüge gegeben.
Einfach ist aber auch die Frage nach Alternativen nicht. Kristina Vogt hat mittlerweile eine Erklärung herausgeben lassen: Nachdem Staatsrat Wiebe angekündigt hatte, sich mehr um die Familie kümmern zu wollen, habe er „nicht mehr in dem […] erforderlichen Umfang zur Verfügung gestanden“. Schließlich gehe es nicht „um eine gewöhnliche Funktion“, sondern um ein politisches Spitzenamt mit „überdurchschnittlicher Einsatzbereitschaft“.
Tatsächlich: Wenn ein Beamter nicht selbst einen Antrag auf Entlassung stellt, wird man ihn nicht leicht los. Schwere Dienstvergehen gab es nicht und „gesundheitliche Gründe“ gelten nicht für jene, die noch halbtags arbeiten könnten. Insofern war der „einstweilige Ruhestand“ einfach ein leichter Ausweg. Und auch nicht ohne Vorbild: Die meisten Staatsräte werden irgendwann in den einstweiligen Ruhestand geschickt, immer mal wieder auch ohne politischen Vertrauensverlust.
Ein Hinweis noch an die Staatsanwaltschaft: Im Rechnungshofbericht steht viel echte Steuergeldverschwendung. Zuletzt etwa eine Hochschule, die immer weiter baute und wuchs, ohne mehr Studierende aufzunehmen. Oder die vielen Behörden, die ihre Geräte systematisch im Standby-Modus lassen, statt Geld und Energie zu sparen. Geht da nicht was von wegen Untreue?
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