Eric Bonse über die Ergebnisse des EU-Flüchtlingsgipfels: Zurück zum alten Zustand
Europa handelt, Europa hilft. Das sollte wohl die Botschaft des EU-Sondergipfels zur Flüchtlingskrise sein. Doch was die EU-Chefs tun, ist wie in der Eurokrise „too little, too late“ – zu wenig, zu spät. Es klingt zwar beeindruckend, dass die EU eine Milliarde Euro für humanitäre Hilfe in der Krisenregion rund um Syrien bereitstellen will – doch zuvor hatten viele EU-Länder ihre Zahlungen an UNO und WHO zusammengestrichen.
Sie haben ihre Augen vor der humanitären Krise im Nahen Osten verschlossen und müssen jetzt die Folgen tragen. Das Geld kommt zu spät, um die Lage zum Guten zu wenden. Zudem geht es der EU gar nicht vorrangig darum, Not und Elend in den Flüchtlingslagern zu lindern. Das kaum verhohlene Ziel ist es, Syrer, Iraker und Kurden von der Flucht nach Europa abzuhalten. Die gesamte Region soll zu einer Art Pufferzone werden.
Besonders deutlich wird das am Umgang mit der Türkei, die selten so hofiert wurde wie heute. Mit einer weiteren Milliarde wollen Merkel & Co. den neuen Sultan Erdoğan dazu bewegen, die Grenze nach Europa dicht zu machen. Dass das gelingt, scheinen die EU-Chefs aber selbst nicht so recht zu glauben. Deshalb bauen sie gleichzeitig die Festung Europa weiter aus. Die „Frontstaaten“ sollen mehr Geld und Personal für die Sicherung der Grenzen und die Erfassung und Abschiebung der Flüchtlinge erhalten.
Letztlich werden Griechenland und Italien zu Vorposten einer gescheiterten Asylpolitik ausgebaut. Denn auch das wurde beschlossen: Am Dublin-System wird nicht gerüttelt. Im Gegenteil: Die EU möchte zurück zum alten Zustand, bei dem die „Frontstaaten“ allein fürs Asyl zuständig waren. „Wir müssen unsere Politik offener Türen und Fenster korrigieren“, fasste Gipfelchef Donald Tusk zusammen.
Es geht also um ein Rollback, nicht um eine zukunftsweisende Lösung. Europa handelt, Europa hilft – das ist Augenwischerei. In Wahrheit legt die EU den Rückwärtsgang ein.
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