Ergebnis Koalitionsverhandlungen Bürgerrechte: "Keine Sieger und Besiegte"
Internetsperrgesetz auf Eis, keine Bundeswehr im Inneren – aber auch härtere Strafen und ein "Warnschussarrest" für jugendliche Straftäter sowie eine neue Visa-Warndatei. Ein erster Überblick.
BERLIN reuters/afp | Union und FDP wollen härter gegen jugendliche Straftäter vorgehen. Die Unterhändler beider künftigen Regierungspartner einigten sich am Donnerstag auf höhere Strafen bei Mordfällen sowie auf die Einführung eines sogenannten "Warnschussarrestes".
Damit können Jugendrichter auch bei einer Bewährungsstrafe die Verurteilten zusätzlich für kurze Zeit in Jugendarrest schicken. Mit diesen Plänen reagieren Union und FDP auch auf den Mord in einer Münchner S-Bahn Mitte September an einem 50-Jährigen, der Kinder gegen Angriffe von Jugendlichen geschützt hatte.
Der Deutsche Richterbund kritisierte die Beschlüsse der schwarz-gelben Koalition zum Jugendstrafrecht. Präsidiumsmitglied Stefan Caspari sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Freitag: "Im Jugendstrafrecht muss der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt stehen, deshalb sind Haftstrafen von mehr als zehn Jahren sehr problematisch." Die Koalitions-Arbeitsgruppe zur Innen- und Rechtspolitik hatte sich am Donnerstagabend darauf verständigt, die maximale Jugendstrafe bei Mord von zehn auf 15 Jahre zu erhöhen. Dadurch seien Täter nicht zu beeindrucken, sagte Caspari.
Richterbund kritisiert höhere Strafen und Warnschussarrest
Auch der beschlossene Warnschussarrest neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe läuft seiner Ansicht nach ins Leere: "Die meisten Straftäter haben vor einer Bewährungsstrafe schon einen normalen Arrest verbüßt und hatten damit bereits einen Warnschuss." Zudem würde es in der Praxis schon heute deutlich an Arrestplätzen fehlen, weshalb der Warnschussarrest vielfach erst Monate nach der Tat vollstreckt werden könne, betonte der Strafrichter.
Die härteren Maßnahmen gegen junge Straftäter sind Teil eines Kompromisspaketes, auf das sich die Experten von Union und FDP am Donnerstag in einer rund zehnstündigen Verhandlungsrunde überraschend verständigten. Dabei muss die FDP auf eine Abschaffung der umstrittenen Online-Durchsuchung verzichten, wie die Verhandlungsführerin der Liberalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, am Abend einräumte. Allerdings seien Verfahrensverbesserungen zu klareren Abgrenzung des vor Online-Durchsuchungen zu schützenden Privatsphäre erreicht worden, sagte sie.
Internetsperren auf Halde
Die von der FDP ebenfalls kritisierte Vorratsdatenspeicherung soll künftig auf schwere Fälle begrenzt werden. Das Internetsperrgesetz wird erst einmal auf Halde gelegt, man plant eine Lösung mit "Löschen statt Sperren". Hierzu soll das BKA eine Lösung in europäischer Abstimmung erarbeiten. Dies sei ein "echter Durchbruch", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Nach einem Jahr solle der Erfolg dieser Maßnahme überprüft werden.
Neu eingeführt werden soll eine Visa-Warndatei, allerdings strenger reglementiert als von der Union vorgesehen. Bei Verstößen gegen Visumsauflagen sollen der betroffene ausländische Bürger sowie dessen Einlader nach Deutschland erfasst werden. Die Union hattevorgeschlagen, bereits bei einer bestimmten Zahl von Eingeladenen ohne konkrete Verdachtsmomente Daten zu erfassen.
Keine Bundeswehr im Inneren
Hart blieb die FDP bei den Unionsplänen, die Bundeswehr auch im Inland bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücken einzusetzen. Dennoch zeigte sich Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) über die Einigung in zahlreichen strittigen Punkten zur Innen- und Justizpolitik hochzufrieden. "Weil es um Grundprinzipien unserer Freiheitsordnung geht, ist es richtig, wenn wir versuchen, uns im Kreise der Facharbeitsgruppe in allen Punkten zu einigen", sagte der CDU-Politiker, der nach Angaben aus Unionskreisen sein Ministeramt gerne fortführen würde.
"Es gibt keine Sieger und Besiegte", sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. "Wichtig ist, dass wir das in den vergangenen Jahren aufgebaute hohe Sicherheitsniveau gehalten haben." Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen galt die Innere Sicherheit als eines der schwierigsten Themenfelder für Schwarz-Gelb.
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