Erdbeben in Chile: Mehr als 700 Tote

Bei dem schweren Erdbeben in Chile sind mindestens 700 Menschen getötet und mehr als 1,5 Millionen Häuser zerstört worden. Der nachfolgende Tsunami hat Japan erreicht.

Rettungskräfte versuchen Überlebende zu bergen. Bild: ap

BUENOS AIRES/TOKIO taz | Bei dem Erdbeben in Chile sind nach den Angaben von Präsidentin Bachelet mindestens 700 Menschen ums Leben gekommen. Insgesamt seien mindestens zwei Millionen Einwohner von dem Beben betroffen, teilte das Nationale Katastrophenamt ONEMI am späten Samstagabend mit. Über 1,5 Millionen Häuser und Wohnungen seien zerstört oder beschädigt. Allerdings werde das gesamte Ausmaß erst in drei Tagen Stunden erkennbar sein, sagte Carmen Fernández, die Direktorin der Behörde. Inzwischen werden die ersten Plünderungen gemeldet.

"Das ist die schlimmste Tragödie der letzten 50 Jahre," sagte die sichtlich bewegte Präsidentin Michelle Bachelet in einer Fernsehansprache. Sie rief die Bevölkerung zu Besonnenheit und Mut auf. Inzwischen hat sich die Präsidentin von einem Hubschrauber aus ein Bild von der Lage gemacht. Das Beben am frühen Samstagmorgen hatte eine Stärke von 8,8 auf der Richterskala. Es war schwerer als dasjenige in Haiti, das am 12. Januar eine Stärke von 7,0 erreichte.

Präsidentin Bachelet rief für die betroffenen Regionen Araucanía, Bío Bío und Maule den Katastrophenzustand aus. Am schlimmsten traf es die Nachbarstädte Talcahuano und Concepción, rund 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago. In dem Großraum leben rund eine Million Menschen. Das Epizentrum lag rund 90 Kilometer von Concepción entfernt im Meeresgrund des Pazifischen Ozeans in einer Tiefe von etwa 35 Kilometern. Bisher wurden 70 Nachbeben registriert, von denen drei eine Stärke zwischen 5,2 und 6,9 auf der Richterskala erreichten. Ein Nachbeben erreichte am Sonntagmorgen (Ortszeit) die Stärke von 6,3.

Aus den Orten entlang der Pazifikküste werden zum Teil große Schäden gemeldet. Das Fersehen zeigt Bilder von zerstörten Häuser und an Land gespülte Boote. Eine Flutwelle brachte zahlreiche Schiffe zum Kentern. Ein Schiff und unzählige Container wurden in die Hafenstadt Talcahuano geschleudert. In der Stadt Concepción vermuten die Behörden noch viele Verschüttete unter den Trümmern eingestürzter Häuser, darunter 60 Menschen in einem 14-stöckigen Hochhaus. Hier wurden bereits 22 Menschen gerettet. Die Stadtbevölkerung verbrachte aus Angst vor weiteren Nachbeben bereits die zweite Nacht im Freien. In der 60 Kilometer entfernten Stadt Chillán konnten rund 250 Gefängnisinsassen entkommen, nachdem die Mauern ihrer Haftanstalt eingestürzt waren.

Die von der Katastrophe betroffenen Regionen waren stundenlang von der Außenwelt abgeschnitten. Die Strom- und Wasserversorgung ist vielerorts noch immer unterbrochen. Auf zahlreiche Landstraßen ist die Asphaltdecke aufgerissen, mehrer Brücken sind unpassierbar oder eingestürzt. Inzwischen ist es in Concepción zu Plünderungen gekommen. Rund hundert Menschen holten Lebensmittel aus den Supermärkten, aber auch Fernsehgeräte und andere Konsumgüter. "Wir haben keine Milch, wir haben gar nichts für die Kinder", sagte eine weinende Frau. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas gegen die Menschen ein.

In der Hauptstadt Santiago wurde der Internationale Flughafen geschlossen, nachdem das Flughafengebäude erheblich beschädigt wurde. Internationale Flüge werden nach Buenos Aires oder Mendoza umgeleitet. Mehrere Gebäude in der Hauptstadt stürzten ein, darunter auch der Glockenturm der Kirche Nuestra Señora de la Divina Providencia. Vielen Stadtautobahnen sind aufgebrochen und Brücken sind beschädigt. Bisher wurden 30 Todesopfer beklagt.

Das Beben war auch in den argentinischen Provinzen Mendoza, San Juan und Catamarca zu spüren. Selbst in der weit entfernten argentinischen Hauptstadt Buneos Aires wankten aufgrund des Bebens einige Hochhäuser, berichten lokale Medien. In der nordwestlichen Provinz Salta bebte die Erde am Samstagnachmittag mit einer Stärke von 6,3. Das Epizentrum lag rund 20 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Salta. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben, darunter ein Kind, dass durch herabfallenden Trümmer getötet wurde. Es kam zu einer Panik. Experten sehen jedoch keinen Zusammenhang mit dem Beben in Chile.

Noch immer unklar ist das Ausmaß der Zahl der Opfer und Schäden auf den zu Chile gehörenden Juan-Fernández-Inseln sowie den Osterinseln. Auf den Juan-Fernández-Inseln sollen alle Gebäude und Häuser zerstort sein.Bisher wurden fünf Tote und elf Vermisste nach einer Flutwelle gemeldet. Eine zunächst ausgegebene Tsunami-Warnung für die ganze südamerikanische Pazifikküste, Hawaii, Australien, Neuseeland, die Philippinen, Russland und Japan wurde inzwischen wieder aufgehoben. Neuseeland hatte zuvor eine 1,5 Meter hohe Welle erreicht. Die befüchteten großen meterhohen Wellen jedoch waren ausgeblieben.

Aus zahlreichen Ländern sind bereits Hilfsangebote eingegangen. "Gestern sind wir Haiti zu Hilfe geeilt, heute spüren wir die Solidarität," bedankte sich Präsidentin Michelle Bachelet. Generalsekretär Ban Ki Moon sagte von New York aus die Unterstützung der Vereinten Nationen zu. "Die UN, insbesondere der Nothilfekoordinator, stehen bereit," so Ban Ki Moon. Chiles Außenminister Mariano Fernández forderte jedoch dazu auf, zunächst die Bestandsaufnahme des Katastrophenamtes abzuwarten. "Jede Hilfe, die ankommt, ohne wirklich gebraucht zu werden, hilft ehrlich gesagt nur wenig." Chile war zuletzt am 3. März 1985 von einem ähnlich schweren Beben erschüttert worden, Damals kamen 177 Menschen ums Leben, über 2.500 wurden verletzt.

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