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Erbe des Kolonialismus in BremenSaubere „Stadt der Kolonien“

Die Stadt Bremen will ihr koloniales Erbe aufarbeiten. Die Umbenennung von nach Kolonialherren benannten Straßen ist aber noch kein Thema.

Koloniales Erbe in neuem Licht: Das Anti-Kolonialdenkmal beim Bremer Hauptbahnhof Foto: Nikolai Wolff

BREMEN taz | Über 100 Jahre nach dem Völkermord der Deutschen an den Herero und Nama in Namibia will Bremen nun seine koloniale Vergangenheit „kritisch reflektieren“. Das haben SPD und Grüne verabredet – sie wollen ein „Erinnerungskonzept“ auf den Weg bringen, das das Parlament im Januar beschließen soll.

Im Sommer 2014 hatte bereits der Hamburger Senat den Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer beauftragt, die lokale Kolonialgeschichte in einer Forschungsstelle „Hamburgs Koloniales Erbe. Hamburg und die Frühe Globalisierung“ wissenschaftlich zu durchleuchten.

Es geht um mehr als nur Symbolpolitik: In der Nazi-Zeit hatte Bremen sich mit Titel „Stadt der Kolonien“ geschmückt. Auch die kurze deutsche Kolonialgeschichte in Namibia ist eng mit Bremen verknüpft. Schließlich war es der Bremer Kaufmann Alfred Lüderitz, der sich das Land 1884 mit betrügerischen Mitteln und einem unlauteren Vertrag aneignete. Später wurde daraus „Deutsch-Südwestafrika“.

Nach dem Verlust der Kolonien gab es in Bremen starke neokoloniale Kräfte. Die bekamen 1932 sogar ein „Reichskolonialehrenmal“ hinter dem Hauptbahnhof, einen zehn Meter hohen Backstein-Elefanten. Dort wurde der 1.490 deutschen Soldaten gedacht, die in den Kolonien starben. Erst 1990 wurde der Elefant zum „Anti-Kolonialdenkmal“ umdeklariert. Heute erinnert dort das bundesweit einzige Mahnmal an den Genozid in Namibia.

SPD und Grüne wollen Straßennamen mit kolonialem Hintergrund erst einmal nur ermitteln und „mit Legenden versehen“
Völkermord in Namibia

Die Massaker in der ehemaligen deutschen Kolonie in Namibia gilt als das der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.

2. Oktober 1904 gab der damalige Generalleutnant Lothar von Trotha am Rande der Omaheke-Wüste den Befehl, alle Herero zu töten. Der Vernichtungskrieg dauerte bis 1908.

Experten gehen davon aus, dass rund 65.000 von 80.000 Herero und mindestens 10.000 von 20.000 Menschen vom Volk der Nama getötet von den Deutschen wurden.

Jahrzehntelang vermied es die Bundesregierung, das Schicksal der Herero und Nama als „Völkermord“ zu bezeichnen – aus Angst vor möglichen Reparationsforderungen.

Der als „Lügenfritz“ bekannte Kolonialist Lüderitz wird bis heute in Bremen mit einer Straße gewürdigt. Zwar gab es seit den 1970er-Jahren immer wieder Initiativen, sie umzubenennen, doch von offizieller Seite kam dafür keine Unterstützung.

Die wird es wohl auch künftig nicht geben: SPD und Grüne wollen Straßennamen mit kolonialem Hintergrund erst einmal nur „ermitteln“ und „mit Legenden versehen“. Eine Umbenennung sei „sehr schwierig“, sagt der grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe.

Saxe hat schon mal schlechte Erfahrungen gemacht – als er sich für eine Namensänderung der Karl-Peters-Straße stark machte. Als Kolonialbeamter hatte Peters sich in Deutsch-Ostafrika die Beinamen „blutige Hand“ und „Hänge-Peters“ erworben; er wurde unehrenhaft aus dem Dienst entfernt, aber von den Nazis rehabilitiert. Das gelang nachhaltig: Die AnwohnerInnen in Bremen wehrten sich erfolgreich gegen eine Umbenennung ihrer Straße. Schließlich fand sich ein gleichnamiger Strafrechtsreformer, dem sie nun gewidmet ist.

Und Bremen hat noch mehr koloniale Straßennamen. Nicht immer ist das so offensichtlich wie in der Togostraße. Die Vogelsangstraße etwa ist nach einem Bremer Tabakhändler benannt, der ein enger Mitstreiter von Lüderitz war, die Nachtigalstraße nach einem Reichskommissar für Deutsch-Westafrika, der Lüderitz‘ Landnahme beglaubigte. Zudem ist Bremen von der Baumwollbörse bis zur Norddeutschen Mission flächendeckend mit Institutionen und Bauten kolonialen Ursprungs versorgt. Die kritische Auseinandersetzung damit artikuliert sich eher punktuell. „Eine klare Linie zur Aufarbeitung der bremischen Rolle im Kolonialismus fehlt bislang“, geben auch die Grünen zu.

„Wir wollen eine Bremer Strategie zur Erinnerungskultur entwickeln“, heißt es dazu im rot-grünen Koalitionsvertrag. Zu der gehört auch, dass das Übersee-Museum, das früher mal „Deutsches Kolonial- und Übersee-Museum“ hieß, einen „Ausstellungsschwerpunkt“ unter besonderer Berücksichtigung der Bremer Rolle im Kolonialismus machen soll, wie SPD und Grüne verabredet haben.

Im grünen Wahlprogramm ist zudem von der „zu Recht aufgeworfenen Frage nach materiellen Entschädigungen“ die Rede. In dem gemeinsamen Papier mit der SPD nicht. Es fordert nur, dass Bremen sich auf Bundesebene dafür einsetzt, „dass der Völkermord an den Nama und Herero offiziell anerkannt wird“. Das könne dann mit Entschädigungen zu tun haben, so Saxe – oder mit Hilfsgeldern für betroffene Gruppen oder Regionen. Die Grünen appellieren auch an jene Kaufmannsfamilien, die einst vom Kolonialismus profitierten. Eine echte Forderung formulierten sie aber nicht.

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7 Kommentare

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  • Was ist den hier los? Was sind das für Leserbriefe, wir sollen unserer Lieblingsbeschäftigung nicht mehr nachgehen, -uns selber schlecht machen und abwerten, ja wo sind wir denn?

  • 2G
    29482 (Profil gelöscht)

    Wir könnten ja evtl. einmal das Geld in nützliche Dinge investieren. Ich denke kein Mensch zweifelt heute die moralische Falschheit des gesamten Kolonialgedankens an. Lasst doch jetzt gut sein und hört auf mit dem permanenten Schuldkult und dem permanenten Erinnern, wie verwerflich wir Deutschen doch immer schon waren,sind und sein werden. Wir haben es doch langsam verstanden, dass wir furchtbar sind. Kein Grund dafür noch Unsummen auszugeben.

    • @29482 (Profil gelöscht):

      Inwieweit Entschädigungen für Herero und Nama erforderlich, schon geleistet oder Hilfe an Namibia zu richten ist, möchte ich hier nicht betrachten und dabei spielt Geld natürlich eine Rolle.

       

      Die Ausbeutung von Staaten ohne ihre Kolonisierung wird immer wieder mal kritisiert, was jedoch kaum was daran änderte, dass sie aufrechterhalten blieb.

      Bremen, vielleicht immer noch bekannt als Stadt der Kaffeeröster, wird dabei als große Hafenstadt vieles zu bieten haben, bei dem über die Gestaltung des Handels und darüber, ob er z.B. gegenwärtig von gegenseitigem Vorteil ist, etwas gesagt und getan werden kann.

      Sicher gibt es da auch gegenwärtige etwas, wo man besser die Finger von lassen sollte und da wird’s spannend, weil dann die Sache mit Arbeitsplätzen und Einkünften im Hier und Jetzt kommt.

      Dabei kann deutsche koloniale Vergangenheit in der Betrachtung einbezogen sein, zumal mit ihr Verständnis über die anderer und in dieser Hinsicht bedeutsamere Staaten gegeben werden kann, über die man hierzulande indirekt, auf welche Weise auch immer, beteiligt aber auch betroffen war und involviert geblieben ist.

  • Ich halte auch nicht viel von solchen Aktivismus. Die Politik sollte sich um wesentliche Dinge kümmern!! Außerdem, verdrängen wir unsere Geschichte aus den Straßen und Plätzen machen wir nichts anderes als der IS. Auch er zerstört die Geschichte wo er nur kann. Als hätte es nur den IS seit Anbeginn der Zeiten gegeben.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Alfred Sauer:

      Wieso ist denn die Aufarbeitung von Verbrechen für Sie Aktionismus?

       

      Ich bezweifele, dass vielen Bremer*innen dieser Teil der Geschichte ihrer Stadt präsent ist. Insofern ist das ein schönes Stück Heimatkunde. Etwas, wogegen selbst Menschen mit Schlussstrichbestrebungen (wie C.Ampus oben), nichts haben kann. Wer hat schon was gegen Heimat?

  • Ich hatte in Erinnerung, der vom Deutschen Reich betriebene Aufwand für die Errichtung von und Herrschaftserhaltung in den Kolonien, habe insgesamt weit mehr Kosten als Einnahmen mit sich gebracht, was nicht heißt, es hätte dabei keine Profiteure gegeben.

    Nachdenklich macht mich eine mögliche Umbenennung, weil ich mit einem Namen wie Lüderitz eben die Fehler deutscher Politik im 19 und 20ten Jahrhundert, den Zeitgeist herrschender Meinung, wie auch die weltpolitische Lage hinreichend verbunden sehe, er also kein reines Ruhmesblatt ist.

    Wenn gemeint wird, es sei eine Umbenennung, wie etwa in Hererostraße, notwendig, wäre der Zusatz, „früher Lüderitzstraße“ angebracht, um einen Wandel aufzuzeigen.

    Neben Gräueln und Massenmorden an, wie auch Vertreibungen und Ausbeutung von indigener Bevölkerung, war mit den Kolonien die Vorstellung vorhanden, mit anderen europäischen Mächten in dieser Weise konkurrieren zu müssen, wenn auch aus oder mit zu hinterfragenden Gründen. Wird genau daran nicht auch mit dem Namen Lüderitz erinnert?

    Zudem gab es auch eine Neugier, die Welt erkunden zu wollen, nicht nur Geister mit herablassender Einstellung über indigene Bevölkerungen (Alexander von Humboldt), und neben Wunsch auch oft Not, sich eine Zukunft außerhalb der Heimat suchen zu wollen. Sind darüber keine Namen zu finden?

    Letztlich, wie empfindet man die Darstellung (Wikipedia), nach der offenbar viele Bewohner des gleichnamigen Ortes in Namibia weiterhin seine Umbenennung ablehnen?

  • geschichte aufarbeiten gut, aber muss das immer mit Geld zusammenhängen?