Entzug der Akkreditierung bei G20: Mögliche Einflussnahme der Türkei
Die Kritik am Vorgehen gegen die Journalisten wächst. Mehrere Betroffene waren früher in der Türkei festgenommen worden.
Die Vermutung, dass die Türkei Einfluss genommen hat, wird durch weitere Fälle erhärtet: Auch der für die Junge Welt tätige Fotograf Willi Effenberger, der ebenfalls die Akkreditierung verloren hat, war schon einmal in der Türkei festgenommen worden. Er hatte in der kurdischen Stadt Diyarbakır fotografiert, sagte er der taz. Zwei weitere Betroffene waren zuvor ebenfalls in der Türkei tätig gewesen.
Betroffen vom nachträglichen G20-Ausschluss war auch der türkischstämmige Journalist Adil Yigit, der für das Online-Medium Avrupa Postasi arbeitet und auch schon für die taz geschrieben hat. Yigit, der in Hamburg bereits zuvor Schwierigkeiten mit dem türkischen Konsulat hatte, teilt den Verdacht, dass die Türkei Einfluss genommen hat: „Ich glaube, dahinter steht die türkische Seite“, sagte er der taz. „Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan war mit Erdoğan am Donnerstag in Hamburg. Ich habe von beiden Fotos gemacht und berichtet“, sagt Yigit. „Ich glaube, dass der türkische Geheimdienst das an die deutschen Kollegen weitergegeben haben könnte.“
Der Verdacht sorgt auch in der Politik für Aufregung. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki drohte am Dienstag sogar mit einem Untersuchungsausschuss. „Der schlimme Verdacht, dass Interventionen des türkischen Geheimdienstes zum Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel geführt haben sollen, muss schnellstmöglich und umfänglich aufgeklärt werden“, forderte Kubicki. Bundespresseamt und Bundesinnenministerium müssten erklären, wie es zu „diesem seltsamen Sinneswandel gekommen ist“.
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich empört. „Sollte sich der Verdacht erhärten, dass ausländische Geheimdienste Einfluss auf diese Listen hatten, dann haben wir einen Skandal erster Güte“, erklärte er. „Gastgeber für ausländische Despoten zu sein, beinhaltet nicht, sich ihrer die Demokratie verachtenden Sitten anzupassen.“
Ex-Datenschutzbeauftragter
Nur deutsche Behörden
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag bestätigt, dass 32 Journalisten ihre Akkreditierung wieder entzogen werden sollte. In neun Fällen sei dies umgesetzt worden. Einen Einfluss ausländischer Dienste bestritt Seibert am Dienstag. Grund für die Maßnahme waren demnach „Sicherheitsbedenken, die ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden resultierten“, teilte er mit. Die Namen seien „an die Zugangskontrollstellen übermittelt worden“.
Dort waren die Namenslisten teils offen einsehbar; auch das sorgte für scharfe Kritik. „Die ungeschützte Weitergabe und Verwendung der Listen ist ein schwerer Datenschutzverstoß“, sagte der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar der ARD. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands äußerte ebenfalls Kritik daran, „dass Polizisten mit den Papierlisten durch Hamburg zogen, dass die Namen für jeden lesbar waren, der nahe genug an die Polizisten heran kam“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau