Entwicklungsziele für Europa: Grüner dank Wirtschaftskrise
Europa will wohlhabend, grün und sozial werden. Das klappt, legen EU-Statistiken nahe. Grund für den Erfolg ist vor allem der Abschwung.
Die schlechte Nachricht: Die meisten dieser positiven Entwicklungen haben als Ursache die Wirtschaftskrise.
Alle zwei Jahre misst Eurostat den Fortschritt bei der Nachhaltigkeit in Europa mithilfe von 100 Indikatoren: Wirtschaft, Soziales und Umwelt sollen ins Lot gebracht werden, außerdem Entwicklungshilfe und „gute Regierungsführung“, wie der Kampf gegen Korruption. Von den zehn Großthemen sind in der kurzfristigen Bewertung fünf positiv: Der Einsatz von Rohstoffen pro Produkt, der Verbrauch von Primärenergie, der Ausstoß von Treibhausgasen und der Energieverbrauch im Verkehr sind alle rückläufig. Positiv ist auch, dass mehr ältere Menschen Jobs finden, die Wirtschaftsleistung pro Kopf und die Lebenserwartung steigen.
In drei Kategorien scheitert die EU allerdings an ihren eigenen Vorgaben: Sie verfehlt die versprochenen 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe, die heimischen Vogelarten als Indikator für Artenvielfalt sterben immer schneller aus – und inzwischen ist jeder vierte Mensch der 508 Millionen EU-Bürger arm oder von Armut bedroht.
Die Statistik der EU führt manchmal in die Irre
Die Erfolgsbilanz wird noch trüber: Energieverbrauch und Emissionen sinken vor allem, weil in der Wirtschaftskrise weniger produziert wird, bestätigt Barbara Kurkowiak von Eurostat auf taz-Anfrage. Auch das Wirtschaftswachstum von 13 Prozent seit 2000 bezieht sich auf die Gesamtheit der 28 EU-Länder, einzelne Krisenstaaten „sind gesondert aufgeführt“, sagt die Expertin. Nach wie vor nehmen die Staaten achtmal soviel Geld ein durch Steuern auf Arbeit als durch Steuern für Umweltverschmutzung, obwohl sich das ändern sollte.
Und die Datenberge können täuschen: So verbirgt sich hinter der eigentlich erwünschten Zunahme beim „Handel mit Entwicklungsländern“ vor allem der Import/Export mit China. Die ebenfalls proklamierten Erfolge bei der Bekämpfung der Armut oder beim Zugang zu sauberem Wasser kommen in vielen Ländern nicht bei den Menschen an, heißt es im Kleingedruckten des 353 Seiten starken Berichts. Und der Erfolg beim Indikator „Abstand bei den CO2-Emissionen“ zu den Entwicklungsländern liegt weniger am Klimaschutz der EU – sondern mehr daran, dass die armen Länder jetzt auch mehr CO2 ausstoßen. „Die EU ist auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“, sagt Kurkowiak, „aber die Daten lassen Raum für Interpretation.“
Die sieht von Seiten der Umweltverbände nicht so rosig aus: „Diese EU-Kommission kümmert sich vor allem um Wachstum und Jobs, Nachhaltigkeit ist nachrangig“, kritisiert Leida Rijnhart vom Dachverband der europäischen Umweltverbände EEB. „Die Indikatoren der EU-Strategie sind außerdem von 2001 und nicht mehr zeitgemäß.“ Gebraucht würden statt der relativen jetzt absolute Minderungsziele, wie sie auch die neuen Entwicklungsziele der UN vorsehen. „Bei der neuen Nachhaltigkeitsstrategie, die die EU 2016 beschließen will, muss sich das ändern“, fordert Rijnhart.
Das gilt wohl auch für die Daten zum Indikator „Vertrauen in EU-Institutionen“. Bisher gibt es dafür keine Bewertung. Was das Vertrauen in die EU-Institution Eurostat auch nicht steigert.
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