Enttäuschte Energiewirtschaft: Minister legt sich mit Fossilen an
Sigmar Gabriel stellt sich gegen generelle Subventionen für fossile Kraftwerke. Damit dürfte eine wichtige Vorentscheidung gefallen sein.
BERLIN taz | Es war eine doppelte Enttäuschung, mit der Sigmar Gabriel die Vertreter der Energiewirtschaft am Dienstag konfrontierte: Erst hatte der Wirtschaftsminister und SPD-Chef seine geplante Grundsatzrede bei der Energiekonferenz des Handelsblatts kurzfristig abgesagt.
In dem Interview, das er der Zeitung stattdessen gab, folgte dann der nächste Schlag gegen die Branche: So klar wie nie zuvor sprach sich Gabriel darin gegen die Einführung eines sogenannten Kapazitätsmarktes aus, bei dem Betreiber von Kohle- oder Gaskraftwerken Geld dafür bekommen, dass sie diese für Zeiten in Bereitschaft halten, in denen es an Wind- und Sonnenstrom mangelt.
Eine Prämie für alle Kraftwerke werde es mit ihm nicht geben, sagte Gabriel. Die Kraftwerksbetreiber versuchten damit, „existierende Überkapazitäten auf Kosten der Stromverbraucher zu konservieren“, so der Minister im Interview: „Das ist das Gegenteil von vernünftiger Energiepolitik.“ Damit trotzdem in neue Kraftwerke investiert werde, müsse der Strommarkt so reformiert werden, dass die Preise stark steigen, wenn Energie knapp ist. „Zu einem funktionierenden Strommarkt gehören echte Knappheitspreise."
Die Bundesregierung berät derzeit in einem mehrstufigen Prozess die künftige Gestaltung des Strommarktes. Eigentlich soll eine Entscheidung erst im Herbst fallen. Doch nachdem in der vergangenen Woche bereits Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Skepsis gegenüber Kapazitätsmärkten zum Ausdruck gebracht hatte, dürfte mit Gabriels Aussage nun eine wichtige Vorentscheidung gegen umfassende Prämien für fossile Kraftwerke gefallen sein, die etwa der Dachverband BDEW und der Gewerkschaft Verdi fordern. Mit einer Warnung reagierte Eon-Chef Johannes Teyssen auf Gabriels Ankündigung: Ohne Kapazitätsmärkte werde „sehenden Auges die sichere Energieversorgung aufs Spiel gesetzt“, sagte er.
Eine komplette Absage an jegliche Form von Unterstützung fossiler Kraftwerke sind Gabriels Aussagen indes nicht. Eine „Kapazitätsreserve“ aus einzelnen Kraftwerken, die nur bei akuten Versorgungsdefiziten eingesetzt werden, könne er sich vorstellen, sagte der Minister. Auch Kraftwerke, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren, könnten mit mehr Hilfe rechnen.
Auch Gabriels Staatssekretär Rainer Baake bemühte sich am Nachmittag auf der Tagung, die Aussagen seines Chefs zu relativieren. Zum künftigen Strommarkt gebe es noch „keine Vorentscheidung“, sagte er. Klar sei lediglich, dass keine „unnötigen Kapazitäten“ gefördert würden. Der Streit wird sich künftig also um die Frage drehen, was „nötig“ ist.
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