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Entspannung in KamerunOppositionsführer Kamto frei

Kameruns greiser Präsident Paul Biya lässt Oppositionsführer Maurice Kamto und andere aus der Haft frei. Jubel in der Hauptstadt Yaoundé.

Da hielt er sich für Kameruns neugewählten Präsidenten: Maurice Kamto am 8. Oktober 2018 Foto: reuters

Abuja taz | Endlich sind sie frei. Am Samstag hat ein Militärgericht in Kamerun den Oppositionsführer Maurice Kamto, den Rapper Valsero und 100 weitere Führer und Unterstützer der größten Oppositionspartei MRC (Bewegung für die Renaissance Kameruns) aus der Haft entlassen.

Auf den Straßen der Hauptstadt Yaoundé trafen sich spontan zahlreiche Menschen, um das zu feiern. Sie sangen, klatschten und jubelten. Kamto ließ sich von seinen Anhängern nach Hause begleiten und kündigte in einer Ansprache „eine neue Etappe unseres Kampfes“ an.

Angekündigt hatte Präsident Paul Biya (86) erstmals am Mittwochabend, 333 politische Häftlinge zu begnadigen. Einen Tag später gab er über Twitter bekannt, dass die Verfahren gegen die MRC-Politiker und deren Anhänger nicht weiterlaufen. Nach einer Terminverschiebung hätten diese am Dienstag vor einem Militärgericht beginnen sollen.

Kamto (65) war bei der Präsidentschaftswahl 2018 mit 14,2 Prozent der Stimmen Zweiter geworden, hatte das aber nicht anerkannt und zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen. Wäre es zu einem Verfahren gekommen, dann hätte ihm im schlimmsten Fall die Todesstrafe gedroht.

„Als ich davon erfuhr, konnte ich das gar nicht glauben. Es war ein merkwürdiges Gefühl“, sagt in Erlangen Layoko Siewe über die neue Entwicklung in Kamerun. Auch ihr Ehemann Wilfried wurde bei einem Heimatbesuch im Februar verhaftet. Seitdem kämpft Layoko Siewe für seine Freilassung.

Noch bleibt der Deutsche zwar in Haft, da er Ende August wegen angeblichen Fluchtversuchs während einer Gefängnismeuterei zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Layoko Siewe klingt jedoch erleichtert. „Die Anwälte sind guter Hoffnung, dass er ebenfalls bald aus dem Gefängnis kommt.“

„Nationaler Dialog“ soll Konflikt lösen

Die Kehrtwende des Präsidenten Biya, der seit 1982 an der Macht ist, hängt mit dem am 10. September angekündigten großen nationalen Dialog zusammen. Er sollte den Konflikt in den anglophonen Regionen Nordwest und Südwest lösen, in denen mittlerweile rund 3.000 Menschen ums Leben gekommen und fast 600.000 in die Flucht getrieben worden sind.

Aus der Region Südwest heißt es von Augenzeugen, dass dort längst Bürgerkrieg herrsche. Die Bewohner hätten Schwierigkeiten, Nahrungsmittel zu finden, und die Angst vor der Armee und vor den separatistischen Rebellengruppen sei gleichermaßen groß.

Die Skepsis, ob sich durch die fünftägigen Gespräche – organisiert von Premierminister Joseph Dion Ngute, der aus dem anglophonen Landesteil stammt – etwas ändert, bleibt groß. Die Maßnahmen werden als bloße Beschwichtigung gesehen.

Teile der Zivilgesellschaft, Vertreter der Religionsgemeinschaften und Oppositionspolitiker wie Cabral Libii hatten den Dialog zwar grundsätzlich begrüßt und betont, dass jeder Lösungsversuch genutzt werden müsse. Schon während einer seiner seltenen Fernsehansprachen hatte Biya einer Spaltung Kame­runs allerdings eine Absage erteilt.

Befürworter einer unabhängigen „Republik Ambazonien“ haben deshalb gar nicht erst am Dialog teilgenommen. Sie kritisierten außerdem, dass es an internationaler Mediation fehle.

Auch waren Separatistenführer Sisiku Ayuk Tabe sowie neun weitere Unterstützer erst im August zu lebenslangen Haftstrafen sowie zu Geldstrafen von knapp 400 Millionen Euro verurteilt worden.

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