Entscheidung vor Bremer Landgericht: AfD bleibt antidemokratisch
Die Partei wollte eine einstweilige Verfügung gegen Ex-AfD'ler Hinrich Lührssen erwirken. Der warf der Partei „antidemokratisches“ Verhalten vor.
Eine Stunde vorher sitzt er im vollbesetzten Gerichtssaal. Drei Stühle neben ihm nimmt Thomas Jürgewitz Platz. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Bremer AfD. Vor einigen Wochen waren die beiden noch Parteifreunde, doch nun würdigen sich Lührssen und Jürgewitz während der Verhandlung keines Blickes. Die AfD war gegen Lührssen vor Gericht gezogen, um eine einstweilige Verfügung zu erwirken.
Lührssen, der als Spitzenkandidat für die ebenfalls rechtspopulistische Partei Bürger in Wut (BIW) zur Landtagswahl in Bremen antritt, hatte der AfD am 11. Februar in einem Interview mit seinen früheren Kollegen von der lokalen Fernsehsendung „buten un binnen“ „antidemokratisches Verhalten“ vorgeworfen. Außerdem hatte er gesagt, die AfD bediene sich bei der Kandidatenaufstellung zur Bürgerschaftswahl „übler Tricks“.
Die Rede war von Kandidaten, die nur Scheinadressen in Bremen hätten und tatsächlich außerhalb wohnten und davon, dass mehrere Personen abgestimmt hätten, die dazu nicht berechtigt gewesen seien. Außerdem hatte Lührssen behauptet, in der Bremer AfD gebe es zurzeit 32 Ausschlusserfahren bei 120 Parteimitgliedern. Gegen all diese Äußerungen ging der AfD-Landesverband Bremen nun juristisch vor.
AfD zieht vier von fünf Anträgen zurück
Doch am Ende zog die AfD vier ihrer fünf Anträge zurück. Das Gericht urteilte, die entsprechenden Äußerungen Lührssens seien im Sinne der Meinungsfreiheit zulässig. Ebenso darf der Ex-AfDler weiterhin behaupten, es gebe innerhalb der AfD keine Demokratie und man sei dort nur solange Spitzenkandidat, wie es der Parteiführung in den Kram passt. Einzig die Zahl von 32 Ausschlussverfahren darf Lührssen nicht wiederholen.
Parteichef Frank Magnitz hatte eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, nach der die Zahl der Verfahren etwas niedriger lag. Einige sind demnach inzwischen eingestellt. Es geht um deutlich weniger Parteimitglieder, da gegen einzelne Mitglieder mehrere Ausschlussverfahren angestrengt wurden.
Sechs Monate war Hinrich Lührssen Mitglied der AfD. Zuvor war der 60-Jährige nie mit politischen Aktivitäten in Erscheinung getreten. In Bremen kannte man ihn als Journalisten des lokalen Fernsehmagazins „buten un binnen“. Sein Metier waren vor allem boulevardeske und humorige Beiträge. Er schrieb für Die Zeit und arbeitete für Stern-TV sowie das ZDF-Magazin Frontal.
Im Februar trat er nach „parteiinternen Streitigkeiten“ aus der AfD aus und der Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) bei. Er sagte, die BIW stünden für „eine solide Politik ohne Machenschaften“. Ende Februar wählte die BIW ihn auf Vorschlag des Vorstands zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl.
Parteivize Jürgewitz bezeichnete es nach der Verhandlung als „Gewinn für die Demokratie“, dass Lührssen die Zahl 32 nicht mehr sagen dürfe. Dass der Wahlkampf nun noch härter geführt werde, wollte Jürgewitz nicht ausschließen. „Jetzt weiß ich ja, was gesagt werden darf.“
Lührssens Vorwurf, die Partei sei antidemokratisch, ist nicht weit hergeholt. Denn Landeschef Frank Magnitz hat die Macht innerhalb der Partei allein auf sich konzentriert. Auf dem Parteitag im Januar hatte er Lührssen als Spitzenkandidat verhindert, indem er sich kurzfristig selbst zur Wahl aufstellte. Magnitz setzte sich mit 32 zu 19 Stimmen gegen Lührssen durch und ist nun Parteivorsitzender, Bundestagsabgeordneter und Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl in Personalunion.
Magnitz’ Machtanspruch war in den letzten Monaten immer wieder Thema parteiinterner Querelen. Ganze Kreisverbände wurden im Zuge des Streits aufgelöst.
Mehrfacher Verstoß gegen das Grundgesetz
Im November vergangenen Jahres hatten Magnitz und Jürgewitz versucht, zwei Mitglieder per Gerichtsbeschluss mit sofortiger Wirkung aller Ämter zu entheben und ihnen die Mitgliedsrechte zu entziehen. Dabei hatten sie gegen eine Reihe von rechtsstaatlichen Grundsätzen verstoßen, wie das Landgericht damals urteilte. Der Grund für das Verfahren: Den beiden klagenden Mitgliedern war die Bremer AfD zu weit nach rechtsaußen gerückt.
Die AfD liegt auch mit ihrem letzten verbliebenen Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis im Clinch. Die Parteiführung wollte ihm verbieten, sich überhaupt noch öffentlich zu äußern und wieder zu kandidieren. Der Landesvorstand hatte erst im Januar erneut versucht, Tassis aus der Partei zu werfen.
Die Vorwürfe, die Landesliste für die Bürgerschaftswahl sei manipuliert, hat Magnitz zurückgewiesen. Keine der „Unterstellungen“ treffe zu und er habe dies alles auch längst persönlich mit dem Wahlamt geklärt, sagte er dem Weser-Kurier. Die endgültige Entscheidung über die Wahlvorschläge und damit die Zulassung von Parteien und Kandidaten fällt am 29. März im Wahlausschuss.
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