Entscheidung über Beleidigung im Netz: Die Verantwortung für den Troll
Im Internet ist anonym geäußerte üble Nachrede allgegenwärtig. Internetportale sind haftbar, urteilt jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
![](https://taz.de/picture/140758/14/empo__rung_konkret.jpg)
STRAßBURG dpa | Internetportale können einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zufolge für beleidigende Kommentare ihrer Nutzer zur Verantwortung gezogen werden. Der EGMR hat am Donnerstag in Straßburg erstmals in einem solchen Fall die Klage eines großen Internet-Nachrichtenportals in Estland über eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit zurückgewiesen.
Estnische Gerichte hatten die Muttergesellschaft des Portals, Delfi AS, 2008 wegen beleidigender Kommentare zu einer Geldstrafe verurteilt. Diesem Urteil schloss sich der EGMR an. Entsprechend müssen sich Internetportale auch in anderen Ländern darauf gefasst machen, für bösartige oder diffamierende Kommentare ihrer Nutzer zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Estnische Leser hatten mit Beleidigungen, drohenden und wütenden Sprüchen auf Berichte über Fährrouten zu Inseln reagiert. Sie empörten sich darüber, dass der Einsatz von Eisbrechern für die Fährschiffe die Anlage preisgünstigerer Autostrecken über das Eis verzögere. Der Fährschiff-Betreiber hatte erfolgreich gegen die diffamierenden Kommentare geklagt.
Es wäre für den Fährschiff-Betreiber kaum möglich gewesen, Klage gegen die Verfasser der beleidigenden Kommentare zu erheben, da sie sich nicht registrieren mussten und anonym bleiben konnten, befand der EGMR. Daher sei Delfi rechtlich verantwortlich für die Kommentare und nicht nur ein passiver, technischer Bereitsteller. Eine solche Entscheidung sei auch „vernünftig“, weil das Portal die veröffentliche Meinung kommerziell nutzen konnte.
In Deutschland gelten Prüfregeln für Provider, doch lassen diese nach Expertenmeinung viel Spielraum für Interpretation offen. Gegen das Urteil des EGMR kann Berufung beantragt werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss