Entpolitisierung der WM in Katar: Inflation der Botschaften

Vor der WM in Katar sorgt der Wunsch der Fifa, sich nun doch auf den Fußball zu konzentrieren, unter den Verbänden für einige Unruhe.

Neuendorf und Faeser vor Skyline von Doha

Kritischer Funktionär: Bernd Neuendorf mit Innenministerin Nancy Faeser auf Doha-Besuch Foto: Britta Pedersen/dpa

Wenige Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft in Katar sind jede Menge Botschaften an die Fußballwelt im Umlauf. Zuletzt rief am Montag der südamerikanische Fußballverband Conmebol in einem Statement die globale Gemeinde dazu auf, kurz vor Beginn der Spiele Meinungsverschiedenheiten in den Hintergurnd treten zu lassen, „damit alle Bürgerinnen und Bürger ein umfassendes Fest genießen können, das von unserem Planeten so sehnlichst erwartet wird.“

Gelesen werden kann diese eindringliche Bitte, hinter der sich alle zehn nationalen Verbände scharten, als Reaktion auf eine nicht ganz so geschlossenes europäisches Statement, das der DFB am Sonntag auf seiner Homepage veröffentlichte. Elf europäische Fußballverbände hatten gemeinsam versichert, man werde weiterhin sich für einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter sowie für die Schaffung eines Gastarbeiterzentrums in Doha einsetzen und schnelle Antworten der Fifa auf diese drängenden Probleme einfordern. Neben Deutschland hatten unter anderem England, die Niederlande, Norwegen und Deutschland das Schriftstück unterzeichnet. Größere Fußballnationen wie Frankreich, Italien oder Spanien wollten sich aber nicht auf diesem Papier verewigen.

Die Botschaft an die Fußballwelt war wiederum auch nur eine Replik auf einen Brief der Fifa vom vergangenen Donnerstag, in dem alle Teilnehmer der Fußball-WM gebeten wurden, eine Politisierung des Fußballturniers zu vermeiden. Man wisse, dass es auf der Welt „Schwierigkeiten politischer Art“ gebe und der Fußball nicht in einem Vakuum lebe. „Aber lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.“ Und die ultimative Bitte lautete: „So lasst uns bitte jetzt auf den Fußball konzentrieren!“

Der Kampf um die Diskurshoheit ist vor dem Anpfiff dieses Turniers voll entbrannt. Bereits vergangene Woche hatte Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani in einem Interview mit der FAZ über die Doppelmoral westlicher Kritik geklagt, einerseits fehlende Menschenrechtsstandards zu bemängeln und andererseits sich um Energiepartnerschaften zu bemühen. Er nannte die Kritik aus Europa an Katar „sehr arrogant“ und „sehr rassistisch“. Vor einer Überhöhung der eigenen Denkweise hatte auch die Fifa in ihrem Brief gewarnt. Der Weltverband sei immer bemüht, Meinungen und Überzeugungen zu respektieren. Nur eben ohne „dem Rest der Welt moralische Lektionen zu erteilen“.

Homophober WM-Botschafter

In dem vom DFB unterstützten Schrei­ben wird hingegen hervorgehoben, dass das Bekenntnis und Eintreten für Vielfalt und Toleranz auch bedeute, Menschenrechte zu unterstützen.

Die WM-Macher stehen dieser Tage ihrem Entpolitisierungswunsch teils selbst gewaltig im Wege. Der WM-Botschafter und ehemalige katarische Nationalspieler Khalid Salman äußerte sich gegenüber dem ZDF in einer Doku, die am Dienstag ausgestrahlt wurde, offen homophob. Er habe Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Schwulsein sei eine Sünde. Er sagte: „Es ist ein geistiger Schaden.“ Der Pressesprecher des WM-Organisationskomitees brach nach diesem Satz das Interview ab.

Beim WM-Teilnehmer Wales bestehen derweil verständliche Sorgen um das Wohlergehen ihrer homosexuellen Fans. Der Gleichstellungsbeauftragte des walisischen Fußballverbandes erklärte am Montag, dass man „die Sicherheit nicht garantieren kann“. Der Verband erwägt die Einrichtung von „sicheren Unterkünften“ zur Unterstützung von LGBTQ+-Fans, die nach Katar reisen. Auf Anfrage des Online-Mediums The Athletics sagte Mark Bullingham, Geschäftsführer des englischen Fußballverbands, ihm sei versichert worden, dass LGBT+-Fans nicht verhaftet werden, wenn sie sich in der Öffentlichkeit küssen oder Händchen halten.

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