Entlang der Keystone-XL-Pipeline: Der CO2-Fänger

Zu viel Kohlendioxid? Das lässt sich mit CCS einfangen und unterirdisch speichern, meint der Geologe Colin Shaw. Den richtigen Ort will er auch schon haben.

Am meisten CO2 produzieren Kohlekraftwerke. Die Abscheidung des Treibhausgases würde ihr Image deutlich verbessern. Bild: ap

BOZEMAN taz | Geologe Colin Shaw ist ein CO2-Fänger. Er lebt in Montana – auf halber Strecke zwischen den Ölfeldern von Alberta und den Ölfeldern in Nord Dakota. Er arbeitet daran, das Treibhausgas Kohlendioxid, das bei der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen freigesetzt wird, einzufangen und unterirdisch zu lagern: Damit es nicht in die Atmosphäre gelangt und damit es nicht zur Klimaerhitzung beiträgt.

Als Lagerplatz soll ein Gesteinsmassiv im Norden des Bundesstaates Montana dienen. In der Tiefe unter dem Kevin Dome lagert seit mehr als 50 Millionen Jahren Kohlendioxid. Ursprünglich ist das Gas bei unterirdische Magma-Flüsse in den Felsen geraten. Und weil der Kevin Dome das Gas nie freigegeben hat, glauben die Forscher, dass er auch industriell erzeugtes CO2 aufnehmen und langfristig aufbewahren könnte.

In Laborversuchen an der Montana State University in Bozeman testet das Team von Shaw die Interaktion zwischen CO2 und dem Gestein. Im nächsten Schritt wollen sie CO2 in die Tiefe des Massivs injizieren und vor Ort beobachten, wie es sich verhält.

Die einen hoffen auf eine neue Nord-Süd-Lebensader, die jede Menge Jobs schafft. Die anderen sprechen von einer Umweltschweinerei, die die Abhängigkeit der USA vom Öl manifestiere. Sie alle fiebern der Entscheidung von US-Präsident Barack Obama entgegen, ob die Keystone-XL-Pipeline gebaut werden darf. Sie soll Teersandöl über 3.462 Kilometer aus der kanadischen Provinz Alberta bis in die Raffinerien an der texanischen Golfküste transportieren.

Für die taz-Serie fährt die US-Korrespondentin Dorothea Hahn die Strecke ab, besichtigt Produktionsstätten, spricht mit Indianern und Umweltaktivisten, begegnet enteigneten Landbesitzern und hoffnungsfrohen Bürgermeistern.

Platz für 500 Jahre CO2-Produktion

Der Kevin Dome ist nicht das einzige Gestein in den USA, das als geeignet für die Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) gilt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der US-amerikanischen Wissenschaftsorganisation Geological Survey listet 36 technisch zugängliche und stabile Becken auf, in denen das Treibhausgas eingelagert werden könnte. Geological Survey schätzt, dass in den 36 Reservoiren ingesamt Platz für rund 3.000 Gigatonnen CO2 wäre. Das entspricht der 500fachen Menge des im Jahr 2011 in den USA bei der Energieherstellung erzeugten Kohlendioxids.

Die Methode ist umstritten. Skeptiker sprechen von Science Fiction und von einer PR-Aktion der Mineral-Öl-Branche. Sie kritisieren auch, dass CCS zu noch mehr Ölförderung und -Konsum ermuntern könnte. Colin Shaw nennt die Technologie „machbar“. Schon in fünf Jahren wäre es nach seiner Einschätzung möglich, mithilfe von CCS große Mengen Kohlendioxid einzufangen und zu lagern.

Die Welt der Klimawandel-Leugner

Colin Shaw sieht in der CCS-Technik kein Allzweckmittel. Bild: Dorothea Hahn

Das Hauptproblem ist seiner Ansicht nach politisch: Nach jahrelanger Propaganda der Industrie ist ein großer Teil der US-Bevölkerung heute der Ansicht, dass die Klimaveränderung durch menschliche Aktivität ein Gerücht ist. Auch im Kongress in Washington wimmelt es von Klimawandel-Leugnern. Am Votum dieser Politiker sind bislang sämtliche Versuche gescheitert, CO2-Abgaben in den USA zu besteuern und CO2-Obergrenzen und CO2-Handel einzuführen.

Während die USA, die weltweit nach China und vor der EU der zweitgrößte CO2-Verschmutzer ist, das Klima als Glaubensfrage debattiert, klettern die globalen CO2-Emissionen in bedrohliche Höhen. Allein im Jahr 2012 stieg die Menge des weltweit nur bei der Energiegewinnung erzeugten CO2 um 1,4 Prozent auf 35,6 Milliarden Tonnen.

Um eine Klimaerhitzung von mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern, ab der nach Ansicht von Klimawissenschaftlern Kipppunkte erreicht werden, die unumkehrbare und in ihren Konsequenzen kaum einschätzbare Folgen nach sich zögen, dürfen diese CO2-Emissionen nach Einschätzung der Internationalen Energie Agentur im Jahr 2020 nicht über 44 Milliarden Tonnen hinausgehen. Doch die Projektionen zeichnen ein düsteres Bild: Danach wird diese kritische Grenze um mindestens vier Milliarden Tonnen überschritten.

CCS macht aus dreckiger Kohle angeblich saubere Energie

Andere Ländern nutzen die CCS-Technik bereits industriell. In Norwegen etwa sammelt die Industrie Kohlendioxid, das sie bei der Ölförderung erzeugt, und lagert es selbst ein. Damit vermeidet sie Straf-Steuern für CO2-Emissionen. Als wichtigstes Anwendungsfeld für CCS gelten aber Kohlekraftwerke, die deutlich mehr CO2 produzieren als andere Kraftwerke. Und mit Kohle wird weiterhin mehr als ein Drittel der Elektrizität der USA hergestellt. Da Kohlekraftwerke zugleich große zentrale Industrieanlagen sind, ist dort das Einsammeln des Treibhausgases relativ einfach und kostengünstig.

Absolventen der Montana State University, an der Shaw forscht, finden traditionell in der Ölindustrie gut bezahlte Jobs. Falls die CCS-Technik sich durchsetzt, würden sich ihnen weitere Perspektiven eröffnen. Profitieren würde aber auch die Öl-Industrie selbst – nicht nur, weil CCS auch diesen fossilen Träger zu einem scheinbar saubereren Energielieferanten machen würde. Sie hat auch Erfahrung mit tiefen Bohrungen und kennt die geologische Beschaffenheit des Untergrunds, aus dem sie in den vergangenen Jahrzehnten Öl gefördert hat. Deshalb erscheint sie prädestiniert, auch das Geschäft mit der Einlagerung von CO2 zu machen.

Der Geologe Colin Shaw sieht in der CCS-Technik kein Allzweckmittel, sondern lediglich eine von vielen Maßnahmen, die gemeinsam die weitere Klimaerhitzung aufhalten sollen. Dazu gehören seiner Meinung nach auch Energiesparen, Wind- und Solarenergie – sowie neue Atomkraftwerke.

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