Enthüllungsbuch über Donald Trump: Kartoffelbrei und Alkohol
Mary L. Trump, Psychologin und Trump-Nichte, gewährt in ihrem Buch Einblicke in die Herkunft des US-Präsidenten. Jetzt ist es auf Deutsch erschienen.
Wie es sich wohl anfühlt, einen Namen zu tragen, der von vielleicht der Hälfte der Amerikaner verehrt wird, aber von der Hälfte der Welt verhasst ist? Der auf Hüten und Buttons klebt, Türen öffnet und Verachtung hervorruft?
Mary Trump, die Nichte Donald Trumps, beschreibt es in ihrem Buch „Zu viel und nie genug“. Freilich geht es darin nicht in erster Linie um ihr Befinden. Sie will erklären, wie Trumps Familie „den gefährlichsten Mann der Welt“ erschuf. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Denn Mary erzählt auch vom Bruder im Schatten des Tyrannen, von Fred Trump junior, ihrem Vater.
Mary Trump hat in Klinischer Psychologie promoviert. Nicht nur ist sie bestens ausgebildet in der Analyse von Störungsbildern; sie kennt Episoden aus dem Familienalltag aus erster und zweiter Hand. So gelingt es ihr, ein dichtes Psychogramm ihres Onkels zu erstellen. Die Szenen untermauern viele der aus der Ferne gestellten Diagnosen über Donald Trump: Narzissmus, Züge von Soziopathie, womöglich gar Psychopathie, eine erhebliche Lernstörung.
Anstelle von großen, pikanten Enthüllungen stößt man auf Geschichten über Menschen, die bei all dem Reichtum, in dem sie schwelgen, kleinbürgerlich leben: Beim Dinner im Weißen Haus zu Ehren der ältesten Schwester Maryanne gibt es Kartoffelbrei und Eisbergsalat, das Leibgericht der Familie. „Wir haben es weit gebracht seit der Nacht, in der Freddy Donald eine Schüssel Kartoffelbrei an den Kopf geworfen hat, weil er so ein Rotzbengel war“, sagt Maryanne, älteste Trump-Tochter, an diesem Abend. In der Tat.
Geschmierte Publicity-Maschine
Dass es so weit kommen konnte, erstaunt auch Mary Trump. Dass es ihr Onkel mithilfe von Kontakten und einer gut geschmierten Publicity-Maschine zu einer New Yorker Berühmtheit brachte, das ist das eine. Aber zum Präsidenten? Wie nur war das möglich?
Die Erfolgsgeschichte Fred Trumps, und mit ihm die seines Sohns, beginnt mit dem Bau staatlich geförderter Immobilien. Welche Ironie! Fred wie Donald hassen es, Steuern zu zahlen, aber ihr Reichtum fußt auf Steuermillionen, die in ihre Projekte gepumpt werden. Eine Zeitlang läuft das Geschäft grandios, aber in den späten 70er Jahren werden die Politiker, die die windigen Geschäfte ermöglichen, durch eine Riege von Politikern abgelöst, die tatsächlich die Interessen der Bürger ihrer Stadt vertreten.
Aber die Trumps halten eine sichere Währung, die alles Geld der Banken im Wert übersteigt: Publicity. Rasch gelingt es Donald in der Nachfolge seines Vaters, sich als Immobilien-Tycoon und Macher zu inszenieren. Die Medien lieben ihn und seine Frau Ivana, das schrille Power Couple. Dass er unzählige Geschäfte in den Sand setzt, darunter Kasinos – buchstäblich Gelddruckmaschinen! –, geschenkt.
Nun sind diese Dinge bekannt, wer will, kann sie in Büchern und Netflix-Dokus nachschauen. Sicher, Mary Trump liefert intimere Einblicke in das Werden Donalds. Aber mit jeder Seite wird deutlicher, dass es ihr eher um die Rehabilitation Freddys, ihres Vaters, geht, dem niemand in seiner Familie beistand, als er elendig an seinem Alkoholismus zugrunde ging.
Der gedemütigte Bruder
Freddy gilt dem Vater als schwach, wird deswegen von Fred senior gedemütigt. Donald schaut zu und lernt. Freddy gelingt es zeitlebens nicht, sich von der Autorität des Vaters zu lösen. Nachdem er aufgrund seines Alkoholismus nicht mehr als Pilot arbeiten kann, wird er Teil des Trump-Managementteams. Mary liefert eine sprechende Episode: Freddy und seine Frau Linda leben in einem von Trump senior errichteten Wohnkomplex.
Weil Freddy in Ungnade gefallen ist, werden dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen an der Wohnung nicht vorgenommen. Freddy kommt nie auf die Idee, selbst einen Handwerker zu rufen. Ein andermal wird Freddy eine Hypothek für den Kauf eines Luxusanwesens versagt, wohl auf Intervention Freds. Mary empört sich über die Bösartigkeit des Großvaters. Aber ist es nicht dessen Geld, das Freddy erst den Kauf eines Luxusanwesens ermöglicht hätte?
„Donald und mein Großvater konnten nicht begreifen, dass noch jemand außer Donald einen Anspruch auf Unterstützung hatte oder Geld bekam, das er nicht selbst verdient hatte.“ Der Satz erscheint dem Außenstehenden wie die Spitze dessen, was der Amerikaner „entitlement“ nennt. Ein Anspruchsberechtigungsdenken, das für Normalbürger nicht nachvollziehbar ist.
In der gekonnten Kontrastierung von gequältem und verwöhntem Sohn tritt die bekannte Impertinenz Donalds noch klarer zutage. Zugleich wird er als Produkt eines soziopathischen Vaters und einer emotional bedürftigen Mutter doch verstehbar. Fast empfindet man Mitleid mit dem kleinen Donald, der, gerade einmal zweieinhalbjährig, von der Mutter getrennt wird, als diese schwerste Komplikationen nach einer Unterleibsoperation durchlebt.
Mary Trump gelingt es, das Verhalten Donald Trumps, seine Unfähigkeit zu Kompromissen oder basaler Empathie, zu erklären. Was unerklärlich bleibt, ist die Tatsache, dass Millionen von Amerikanern ihn für einen fähigen Präsidenten halten, warum sie, wie der zuletzt demente Fred, nur das Beste in Donald erkennen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader