Entführungsfall Trinh Xuan Thanh: Kidnapper von Hanoi geehrt
Zwölf Vietnamesen hatten 2017 einen Landsmann von Berlin nach Hanoi entführt. Dafür erhielten sie nun den höchsten Orden ihres Landes.
Fotos und Texte, die einer von ihnen bei Facebook postete, später aber wieder löschte, dokumentieren, dass die Entführung von Vietnams Innenminister To Lam unter dem Code VT17 koordiniert wurde. Die zwölf Männer bekamen bei der Feier von Staats- und Parteichef Nguyen Phu Trong die Siegesmedaille erster, zweiter und dritter Klasse – einen der höchsten Orden Vietnams.
Die Medaille erster Klasse erhielt Nguyen Duc Thoa, damals in Berlin Diplomat und Mitarbeiter von Hanois Geheimdienst. Er wurde rasch aus Deutschland ausgewiesen, weil für die deutschen Ermittler schon kurz nach der Entführung feststand, dass er sie vorbereitet und mit durchgeführt hatte.
Der zweite Ausgezeichnete ist mit Le Thanh Hai ebenfalls ein damaliger Diplomat in Berlin. Ihm werfen die Ermittler vor, den Entführten von Berlin bis in die tschechische Stadt Brno gefahren zu haben, wo er ihn an Mitentführer übergab.
Ordenszeremonie auf Facebook dokumentiert
Als 2018 vor Berlins Kammergericht der Prozess gegen einen Mitentführer lief, wollte das Gericht Le Thanh Hai als Zeugen hören. Er konnte dies aber mit Verweis auf seine diplomatische Immunität verweigern. Le Thanh Hai war es auch, der die Auszeichnungsfeier auf seiner privaten Facebookseite dokumentierte. Auch Geheimdienstler wollen gelegentlich ihr Ego pflegen.
Zuerst hatte der slowakische öffentlich-rechtliche Sender RTV am Dienstagabend über die Auszeichnungen berichtet. In Bratislava ist die Entführung brisant, weil das Opfer von seinem Entführern mit einem vom damaligen slowakischen Innenminister Robert Kalinak geliehenen Regierungsflugzeug aus der EU ausgeflogen wurde. Kalinaks genaue Rolle dabei ist noch ungeklärt.
Seit dem Regierungswechsel 2020 in der Slowakei zeigt der neue Generalstaatsanwalt, Marus Zilinka, den Willen ernsthaft zu ermitteln. Der TV-Bericht hatte laut seinem Autor Tibor Macak viel Resonanz: „Seit der Entführungscode VT17 bekannt ist, haben auch der slowakische und deutsche Geheimdienst neue Ermittlungsansätze.“
Petra Schlagenhauf, die deutsche Anwältin von Trinh Xuan Thanh, der in Hanoi wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen eine lebenslange Haftstrafe absitzt, nennt dessen Inhaftierung völkerrechtswidrig und fordert seine Rückkehr nach Deutschland. Der vietnamesische Staat, der ihn entführt hatte, hätte ihn nie vor Gericht stellen dürfen.
Die Entführungs hatte eine schwere diplomatische Krise zwischen Berlin und Hanoi ausgelöst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern