Entführte Schülerinnen in Nigeria: Es fehlt noch jede Spur
Offenbar sind in Nigeria noch weit mehr Schülerinnen durch Boko Haram entführt worden. Doch ganz genau weiß das wohl niemand.
COTONOU taz | In Nigeria geht das Rätselraten um die entführten Schülerinnen weiter. Vor einer Woche wurden die Mädchen, die in Chibok im Bundesstaat Borno eine weiterführende Schule besuchen und gerade Abschlussprüfungen schrieben, offenbar von Boko Haram entführt. Bisher hat sich die islamistische Terrorgruppe, deren Name übersetzt „Westliche Bildung ist Sünde“ bedeutet, aber noch nicht zur Tat bekannt.
Bis heute fehlt jede Spur und niemand weiß, wo die Mädchen versteckt werden und wie es ihnen geht. Der Gouverneur von Borno, Kashim Shettima, hat am Dienstagmorgen dennoch versucht, etwas Hoffnung zu verbreiten.
„Die Sicherheitsdienste tun alles, um die Mädchen aufzuspüren. Wir werden sie bald finden“, sagte er bei einem Besuch der Government Girls Secondary School von Chibok. Mit ähnlichen Aussagen sollten die Eltern schon in den vergangenen Tagen beruhigt werden.
Doch es hat in den vergangenen Tagen zu viele falsche Aussagen und Ungereimtheiten gegeben. Selbst eine Woche nach dem spektakulären Entführungsfall ist scheinbar noch immer nicht klar, wie viele Mädchen tatsächlich entführt wurden. Anfangs war von 100 die Rede, zwischendurch von 129. Mittlerweile wird von 230 ausgegangen. Es könnten aber auch 234 sein.
Die Eltern mussten, so berichtet die nigerianische Online-Zeitung Premium Times am Dienstagmittag, scheinbar selbst Listen anfertigen und ihre vermissten Töchter darin eintragen. Verlässliche Zahlen hat offenbar nicht einmal die Schulleitung. Außerdem weiß niemand genau, wie viele Schülerinnen sich in letzter Minute doch noch retten konnten. Die Entführer sollen, so Augenzeugen, mit einem Lkw vorgefahren sein. Einige Mädchen sollen von der Ladefläche gesprungen sein.
Was viele Eltern aber noch mehr verärgert hat, war eine Aussage des Militärs knapp zwei Tage nach der Entführung. Von Seiten des Militärs hieß es offiziell, 129 Mädchen seien befreit worden. Lediglich acht hätten sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Händen der Entführer befunden. Einen Tag später musste das Militär eingestehen, dass die Aussage nicht stimmt, aber erst nachdem sich die Schulleiterin offiziell zu Wort gemeldet hatte.
Vermutlich noch im Land
Es wird davon ausgegangen, dass sich die verschleppten Mädchen weiterhin im Bundesstaat Borno, dem Hauptquartier der Terrorgruppe, befinden. Eine Versteckmöglichkeit könnte der Sambisa Forest südlich von Maiduguri sein.
Gut möglich ist auch, dass die Anhänger von Boko Haram ihre Opfer noch dichter an die kamerunische Grenze gebracht haben. Dorthin haben sich die Terroristen in den vergangenen Monaten ohnehin häufig zurückgezogen. Es ist ein Gebiet mit schwacher Polizei- und Militärpräsenz, weshalb es immer wieder zu Überfällen auf ganze Dörfer gekommen war.
Die Terroristen können sich anschließend leicht in das Nachbarland Kamerun absetzen. Denn länderübergreifende Polizei- und Militärarbeit gilt weiterhin als kompliziertes Unternehmen und somit haben die Terroristen leichtes Spiel.
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