piwik no script img

Entfernungspauschale und ÖkobilanzPauschal schlechte Auswirkungen

Die Steuervergünstigung für Pendler fördert die Zersiedlung, weil Beschäftigte längere Wege in Kauf nehmen. Das Umweltbundesamt fordert deshalb die Abschaffung.

Wenn sie es positiv auf dem Konto spüren, nehmen Pendler auch längere Wege in Kauf. Bild: dpa

FREIBURG taz | Die Pendlerpauschale – offiziell Entfernungspauschale genannt – gewährt einen steuerlichen Ausgleich für Fahrten zwischen Wohnort und regelmäßiger Arbeitsstätte. Beschäftigte können für jeden Arbeitstag pro Entfernungskilometer 30 Cent als Werbungskosten in der Steuererklärung angeben und damit ihre Belastung je nach Steuersatz mindern. Der Staat erlässt den Steuerzahlern so etwa 4,4 Milliarden Euro pro Jahr.

Seit 2001 wird die Pauschale auf Beschluss der damaligen rot-grünen Bundesregierung unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel gewährt. Dadurch wurden Bahnpendler und Fahrradfahrer besser gestellt. Zuvor galt die Pauschale nur bei Nutzung des Pkw, bei anderen Verkehrsmitteln konnten nur tatsächlich nachgewiesene Kosten angesetzt werden.

Mit dem Versuch, zur Haushaltssanierung die Pauschale erst ab dem 21. Kilometer zu gewähren, scheiterte die Bundesregierung im Jahr 2008 vor dem Verfassungsgericht. Die Richter sahen darin eine unzulässige Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen.

Politisch umstritten ist die Pauschale vor allem wegen ihrer ökologischen Auswirkungen. Weil sie weite Anfahrtswege zur Arbeit finanziell entlastet, leistet sie nach Einschätzung von Wissenschaftlern – etwa aus dem Umweltbundesamt (UBA) – der Zersiedelung der Landschaft Vorschub. Denn aufgrund der Pauschale nehmen Beschäftigte längere Wege in Kauf.

Für Umweltwissenschaftler gilt die Pauschale schon lange als eine der größten Fehlsteuerungen im deutschen Steuerrecht: „Zu den Vergünstigungen, die mit Blick auf den Klimaschutz am dringlichsten beseitigt werden sollen, gehören die Kerosinsteuerbefreiung, das Dienstwagenprivileg und die generelle Pendlerpauschale“, heißt es seit Jahren beim UBA. Als umweltverträgliche Alternative zu langen Arbeitswegen sehen Stadtplaner heute die „Stadt der kurzen Wege“, in der Wohnraum, Arbeitsplätze und auch dezentrale Einkaufsmöglichkeiten möglichst eng miteinander verzahnt sind.

Kritisiert wird zudem, dass die Pauschale Arbeitnehmer bestraft, die extra nah am Arbeitsort wohnen. Dafür nehmen sie oft höhere Mieten in Kauf, die sie anders als die Fahrtkosten nicht absetzen können. Würde man das sogenannte Werkstorprinzip konsequent umsetzen, wonach die Arbeit steuerrechtlich betrachtet erst hinter dem Werkstor beginnt, müsste die Pauschale komplett gestrichen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • F
    Frank

    Die Pendlerpauschale ist schlicht ungerecht. Ich als Nichführerscheinbesitzer fahre in der Stadt mit dem Fahrrad in die Arbeit. Die ganzen Pendler verstopfen mir hier die Strassen (im Berufsverkehr ist kaum ein Auto mit 2 Menschen besetzt), gefährden mich beim Abbiegen (werden Führerscheine heute ohne Prüfung verschenkt?) und verpesten mir die Luft.

     

    Und das muss ich zwangsweise mit meinen Steuern auch noch bezuschussen. Sofortige Abschaffung so schnell wie möglich liebe "Regierung". Mit dem Geld was da verteilt wird besser die Radwege sanieren oder den öffentlichen Nahverkehr bezuschussen.

     

    Gruß aus München

  • W
    Wolfgang

    Alle beklagen sich, daß die Ölkonzerne nach Belieben die Preise nach oben verändern. Konzertiertes Gegensteuern ist möglich. Beispielsweise durch Pendlerportale wie www.wir-pendeln-zusammen.com. Dort können sich Pendler, die jeden Tag die gleiche Strecke zu ihrem Arbeitsplatz fahren, anmelden.Die Erhöhung der Pendlerpauschale bedeutet Duldung der Preispolitik der Ölmultis durch die Regierung.

  • O
    olaf

    Das Geld für die Pendlerpauschale sollte lieber für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ausgegeben werden - und der muss zuverlässig und flächendeckend im 15-Minuten-Takt fahren!

    Das wäre zukunftsträchtig!

  • A
    anke

    Wäre doch gelacht, wenn sich die absehbare Allianz aus Möchtegern-Sparern und Punktuell-Gutmeinenden nicht in kürzester Zeit durchsetzen würde mit der Idee, die Pendlerpauschale komplett einzusparen. Kostet ja nichts! Mit den Konsequenzen jedenfalls müssen sich weder die einen noch die anderen befassen. Die trägt einmal mehr derjenige, der in Wohnortnähe keinen Job findet, der jedoch arbeiten muss, wenn er dazugehören will. An der eigentlichen Ursache des Pauschalen-Problems, am Prinzip, Gewinne und Risiken fein säuberlich auf Häufchen zu kippen, wird jedenfalls niemand etwas ändern, der davon profitiert. Auch diesmal nicht.

  • S
    Sonja

    Die Pendlerpauschale zu streichen ist und bleibt das falsche Instrument. Egal wie oft diese Forderung durch die Nachrichtenlöcher der Medien geistert, sie wurde am Schreibtisch einer Großstadt mit gut ausgebildetem öffentlichen Nahverkehr erdacht. Oder wollen Sie die ländlichen Räume einfach zubetonieren und vergessen? Wie viele Familien fahren in entgegengesetzen Richtungen zu ihrem Arbeitsplatz, weil es gar nicht genug Arbeit in der Nähe ihres Wohnorts gibt?

    Um der Zersiedelung entgegen zu wirken gibt es mit Sicherheit andere Instrumente, z. B. das Abschaffen der sogenannten Hypothekenhügel. Wo kein neuer Baugrund im ländlichen Raum - der genug leerstehende Häuser und Wohnungen aufweist - erschlossen und angeboten wird, kann eben nur der vorhandene Raum genutzt werden.

    Des weiteren liegen die Taktung und Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs außerhalb von Großstädten zumeist katastrophal konträr zu Arbeitszeiten und Einkommen. Da ist es tatsächlich günstiger sich des umweltproblematischen Autos zu bedienen.

    Die Pendlerpauschale abzuschaffen ist wie immer eine zu kurz gedachte Plattitüde, die genauso in jedem farbenprächtigen Blatt dieser Republik schon seit Jahrzehnten als Lückenfüller dient.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Aufwendungen für Arbeit sind steuerrechtlich absetzbar. Der normale Arbeiter hat nichts als die Entfernungspauschale, Freischaffende, Selbständige und andere Privilegierte können tatsächliche Kosten absetzen, also reale Benzinkosten, Reparaturen, anteilig Anschaffung etc. wo bleibt da die Gerechtigkeit? Wer fährt schon gerne freiwillig viele Kilometer zur Arbeit, aber das wird erwartet z.T. gefordert (Arbeitsagentur). Wir können nicht alle in Städten leben, wer sollte dann noch die Miete bezahlen können.

  • R
    RLS

    Man muss lange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um nicht dass Arbeitslosengeld gestrichen zu bekommen. Diese Sauerei sollte zurückgenommen werden,

    alleine schon im Sinne des Umweltschutzes.

    Sollte wirklich eine besonders hoch begabte Persönlichkeit,

    an einem anderen Ort gebraucht werden, sollte es eine Umzugspauschale geben.

     

    Ich gebe dem Umweltbundesamt recht, dass dieser die Pendlerpauschale abschaffen will, dadurch würde die Bequemlichkeit eingeschränkt werden.

    Es gebe mehr Fahrgemeinschaften, und Massenverkehrsmittel würden mehr genutzt werden.

    Nur müsste man dann endlich den Bahnchef hinausschmeissen,

    und jemanden einstellen, der es wieder schafft die Bahn als verlässlichen Dienstleister umzukrempeln.

    Man kann nicht jede Woche seinem Arbeitgeber sagen,

    die Bahn hatte wieder Verspätung.

    Der Zug ist nicht gekommen.

    Man hat die Anschlussfahrt nicht erreicht wegen Verspätungen.

    Die Türen gingen nicht auf u.s.w u.s.w.

     

    Daran sollten eigentlich Grüne und Linke interessiert sein,

    im Sinne des Umweltschutzes.

    Weil es aber nur Dekadenzgrüne und Dekadenzlinke sind,

    interessiert sie die Pendlerpauschale, alleine schon wegen der Wählerstimmen.