Enteignen-Initiative erreicht Quorum: Party vor der Innenverwaltung
350.000 Unterschriften sind übergeben, die Partystimmung ist groß. Berlins Landeswahlleiterin bestätigt, dass genug Unterschriften zusammen gekommen sind.
An diesem Freitagnachmittag haben sich hier etwa 300 Menschen in lila Westen versammelt, um unter Applaus und mit Live-Musik die letzten von insgesamt knapp 350.000 Unterschriften des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen der Landeswahlleiterin zu übergeben. Die Kampagne will private Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen vergesellschaften.
Zum Abschluss durften ein paar Show-Effekte nicht fehlen: Nachdem einige Aktivist*innen in Lila-Westen wie Cheerleader zu der Musik von Queen („Dont stop me now“) tanzten und die Zahl der gesammelten Stimmen enthüllten, trugen sie unter Applaus und Jubelschreien den letzten Schwung Unterschriftenlisten in die Innenverwaltung in der normalerweise eher ruhigen Klosterstraße. Die gelben Postkisten, gefüllt mit zehntausenden Namen von Berliner*innen, die für Enteignungen unterschrieben haben, werden durch ein Spalier lila-gelber Fahnen getragen, ringsum wird mit Sekt angestoßen. Es riecht ein bisschen nach Silvester, was an der Pyrotechnik liegen dürfte.
Fast jeder zehnte Berliner hat für das Volksbegehren unterschrieben. Das erforderliche Quorum für einen Volksentscheid liegt in Berlin bei 7 Prozent der Wahlberechtigten, also circa 175.000 Personen. Dass das Quorum klar erreicht ist, bestätigt rund eine Stunde später die Landeswahlleiterin: Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits 260.000 in den Wochen zuvor eingereichte Unterschriften geprüft. 175.782 davon sind gültig.
„Das erforderliche Quorum sollte also mit den bisher geprüften Unterschriften erreicht sein“, heißt es in einer am Freitagabend herausgegebenen Mitteilung. Insgesamt seien „etwa 346.000“ Unterschriften eingereicht worden. Das endgültige Ergebnis komme Anfang Juli.
Mit der erfolgreichen Unterschriftensammlung wird der 26. September voraussichtlich zum Super-Super-Wahlsonntag. Denn dann werden nicht nur Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus neu gewählt, sondern es wird auch über die Enteignungsfrage abgestimmt. Das Volksbegehren fordert ein Berliner Vergesellschaftungsgesetz auf Grundlage des bisher nie genutzten Grundgesetzartikels 15, nach dem ganze Wirtschaftszweige gegen Entschädigung enteignet werden dürfen.
Nach der Party ist vor der Arbeit
Die Freude bei den Aktivist*innen des Volksbegehrens war schon am Abend davor groß. Um 22 Uhr brach unter den Aktiven endgültig Jubelstimmung aus in einem Büro in der Kreuzberger Graefestraße. Dort, in den Räumen des Versicherungsmaklers Michael Prütz, war zeitweise das Hauptquartier der Kampagne Deutsche Wohnen und Co enteignen untergebracht; hier wurden bis zuletzt die Unterschriftenlisten in gelbe Postkisten gestapelt. „Bis spät in die Nacht kamen ununterbrochen Leute mit Listen vorbei – es war Partystimmung“, berichtete Prütz kurz vor der Abgabe der Unterschriften am Freitag der taz.
Allein am Donnerstag vor Abgabeschluss seien in dem Büro noch einmal 40.000 Stimmen zusammengekommen. Zu den gesammelten rund 350.000 dürften noch einmal ein paar tausend Unterschriften hinzu kommen, die auf Bürgerämtern abgegeben worden sind. So viele Unterschriften sammelte noch kein Berliner Volksbegehren zuvor – und all dies während einer Pandemie ohne Großveranstaltungen inklusive mehrmonatigem Lockdown während der Sammelphase. Der Wille vieler Mieter*innen, den außer Kontrolle geratenen Wohnungsmarkt umzukrempeln, er ist klar erkennbar.
Deutlich wird das auch in den kämpferischen und emotionalen Reden vor der Innenverwaltung am Freitagnachmittag: „Merkt euch dieses Datum. Es ist ein historischer Tag. Wir sind das erfolgreichste Volksbegehren, das es je in Berlin gegeben hat. Es war ein langer Endspurt. Und kein Endspurt ohne Siegesfeier!“, ruft eine Frau, natürlich in lila Weste, ins Mikrofon. Die Menge antwortet mit Sprechchören: „Die Häuser denen, die drin wohnen!“
Später heißt es: „Die Konzerne haben das Geld. Wir haben die Menschen und die Solidarität.“ Mehr als 2.000 Personen seien mittlerweile beim Volksbegehren aktiv, heißt es auf der Demo. Und: „Wir sind noch nicht am Ziel, wir ruhen uns jetzt kurz aus und feiern – und dann legen wir zum Volksentscheid so richtig los!“
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