Enquete-Kommission zur Jugendhilfe wahrscheinlich: Gremium für Kinderrechte geplant
Nach Linken, SPD und Grünen verhandelt jetzt auch die FDP über ein Experten-Gruppe zur Jugendhilfe. Die CDU zögert noch, bringt aber radikale Idee ins Spiel.
HAMBURG taz | Eine Enquete-Kommission zur Jugendhilfe wird immer wahrscheinlicher. Bereits seit Mai reden SPD und Grüne mit der Linken über einen gemeinsamen Antrag für solch ein Experten-Gremium. Arbeitstitel: „Kinderrechte und Kinderschutz weiter stärken“. Inzwischen ist auch die FDP von der Idee angetan. „Wir verhandeln erst mal mit“, sagt Jugendpolitiker Daniel Oetzel.
Die Idee kommt von der Linksfraktion. Außerdem gibt es ein „zivilgesellschaftliches Bündnis“, aus Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden, das eine Kommission fordert, die strukturelle Mängel in der Kinder- und Jugendhilfe unter die Lupe nimmt.
Nötig für die Einsetzung wäre nur ein Fünftel der Abgeordneten. „Aber je breiter die Unterstützung ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorschläge umgesetzt werden“, sagt Bündnis-Sprecher und früherer Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. Er hatte sich mit der FDP getroffen und diese überzeugt.
Noch nicht mit im Boot ist die CDU. Dabei stellte sie erst Ende Mai einen radikalen Antrag, der aus Sicht von Hammer und der Linken gut in der Enquete diskutiert werden könnte. Darum geht’s: Seit den 80er-Jahren sind Hamburgs Jugendämter in den sieben Bezirken eigenständig organisiert. Während die fachliche Verantwortung zentral bei der Sozialbehörde liegt, kommt den Bezirksämtern die Verantwortung für Struktur, Organisation und Personal der Jugendhilfe zu. Und die Dienstaufsicht über die Bezirke hat wiederum die Finanzbehörde.
Die Linke und das Bündnis wollen auch die auswärtige Heim-Unterbringung auf den Prüfstand stellen
Diese Strukturen „schwächen in ihrer Summe den Kinderschutz“, schreibt die CDU. Die Folge sei „latente politische Verantwortungslosigkeit“. Während die Fachkräfte in den Jugendämtern über Überforderung klagten, reagiere die Behörde auf Todesfälle von Kindern regelmäßig mit neuen Vorgaben und beklage deren Nichteinhaltung. Die Aufgaben für den Kinderschutz, so der Vorschlag, sollten deshalb „in einer zentralen Einheit“ gebündelt werden.
Die CDU zog den Antrag am Donnerstag zurück, was man als Umschwenken in Richtung Enquete deuten könnte. Denn dort in Ruhe diskutiert hätte die Sache mehr Chancen als ein Oppositionsantrag. Der Rückzug habe „reine Verfahrensgründe“, sagt Pressesprecher Benjamin Nufer. Die CDU halte die Enquete für „nicht nötig“, da die Fehler bekannt seien. „Wenn sie kommt, werden wir mitarbeiten.“
Die große Liebe für die Enquete-Idee gab es anfangs auch bei Rot-Grün nicht. Hinter den Kulissen wird um den Untersuchungsauftrag gerungen. SPD und Grüne wollen diesen eng an Kinderschutzfragen halten. Die Linke und das Bündnis wollen auch die Heim-Unterbringung von Kindern außerhalb der Stadt auf den Prüfstand stellen. Sowie die Frage, welche soziale Infrastruktur Familien brauchen, damit es gar nicht erst zu Herausnahmen kommt, und welche Rolle Armut dabei spielt.
Die Verhandlungen sollen bis zu den Ferien abgeschlossen sein. Die Enquete würde danach anfangen zu arbeiten und bis 2018 Vorschläge präsentieren.
Leser*innenkommentare
pablo
„Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man 'nen Arbeitskreis."
wxyz
Es gibt immer zwei Möglichkeiten. Man kann ein Gremium gründen, das nach ein paar Jahren eine Einigung auf unterstem Level erreicht, man kann aber auch sofort den Geist von Postenjägerei, Wahlkalkül und Geld außen vor lassen und stattdessen mittels Menschlichkeit (Bedingung: sie muß vorhanden sein) deutliche Verbesserungen ganz ohne Gremium erreichen.