Energieversorgung in Deutschland: Das Spiel mit dem Gashahn
Wegen der Krimkrise fordern Politiker weniger russischen Einfluss. Die Bundesregierung billigt den Gazprom-Kauf deutscher Gasspeicher.
BERLIN taz | Jetzt auch noch die Speicher. So ungefähr fiel die Reaktion in Berlin auf einen weiteren Zugriff Gazproms auf Deutschlands Energieversorgung aus: Der mehrheitlich staatliche russische Konzern übernimmt von der BASF-Tochter Wintershall das Geschäft mit Gashandel und Gasspeicherung in Deutschland, bisher hielten die Russen 50 Prozent. Im Gegenzug erhält Wintershall Zugriff auf ein Gasfeld in Sibirien.
Das Geschäft ist politisch brisant, weil Gazprom und indirekt Staatspräsident Wladimir Putin alleinigen Zugriff auf Westeuropas größten Gasspeicher Rehden in Niedersachsen bekommen. Dort befinden sich rund 20 Prozent der Reserven hierzulande. Speicher gelten als Notnagel, sollte die Gasversorgung aus Russland unterbrochen werden.
„Die Gaspartnerschaft zwischen Gazprom und Wintershall sollte gestoppt werden“, sagte deshalb der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, der taz. Auch der CDU-Politiker Ruprecht Polenz forderte im Deutschlandfunk, das Geschäft einzustellen. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs will sogar Gas- und Ölkäufe aus Russland drosseln.
Putins Speicherzugriff
Wintershall beharrt aber auf dem Geschäft mit Gazprom. Bereits im Dezember ist die Vereinbarung unterschrieben worden. Die EU-Kommission hat damals kartellrechtlich zugestimmt, ebenso die Bundesregierung, die ein Mitspracherecht hat, wenn sie bei Firmenübernahmen aus dem Ausland Sicherheitsinteressen verletzt sieht. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht das nicht gegeben: „Eine Gefährdung der Gasversorgung durch ein solches Tauschgeschäft besteht nach Auffassung des BMWi nicht“ so das Ministerium.
Sind die Speicher einmal in der Hand von Gazprom, kann der Konzern theoretisch jederzeit das Gas verkaufen und damit den deutschen Notvorrat an Erdgas senken. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Regelung, die Betreibern von Gasspeichern vorschreibt, einen bestimmten Füllstand vorzuhalten, teilte die Bundesnetzagentur der taz mit.
Momentan sind die Speicher, die theoretisch für einen Winter reichen, wegen des milden Wetters voll – was eher ein Zufall ist. EU-Energiekommissar Günther Oettinger wiegelte jedenfalls ab: „Wir sind uns einig, dass Gaslieferungen für diesen politischen Konflikt doch eher ungeeignet sind“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein