Energiepolitik in Berlin: Private sind nicht immer böse

Der Senat will das Fernwärmenetz kaufen. Die geplante Zusammenarbeit mit privaten Energieversorgern ist nicht mit früheren Desastern vergleichbar.

Das Bild zeigt die Zentrale des Gasversorgungsunternehmens Gasag.

Der Senat will bei der einst landeseigenen Gasag einsteigen und mit ihr das Fernwärmenetz kaufen Foto: dpa

Das Land Berlin soll zusammen mit Großkonzernen Eigentümer eines Energieversorgungsbetriebs werden? Als Regierungschefin Franziska Giffey und weitere Mitglieder des rot-grün-roten Senats am Dienstag ankündigten, in den Gasversorger Gasag einsteigen und mit den dortigen privaten Teilhabern das Fernwärmenetz übernehmen zu wollen, dürften bei einigen die Alarmglocken geschrillt haben.

Zusammenarbeit mit Privaten in der Daseinsvorsorge? Hatte man sich davon nicht nach langem Kampf und durchaus nicht billig verabschiedet, als das Land 2013 die einst teilprivatisierten Wasserbetriebe wieder komplett in seine Hände bekam? Eine solche erste Reaktion wäre nach dieser Vorgeschichte durchaus berechtigt. Bei genauerem Hingucken ist die jetzige Situation aber ein völlig andere.

Denn in den 1990er-Jahren hatte das Land notgedrungen Anteile verkauft, Private dazu geholt und denen auch noch, weil in der schlechteren Verhandlungsposition, feste Gewinne zugesichert. Nun aber verhält es sich anders herum.

Denn jetzt ist es das Land Berlin, das in zwei Unternehmen einsteigen will, die derzeit komplett privat sind. Das ist zum einen der Gasversorger Gasag, an dem das Land seit 25 Jahren nicht mehr beteiligt ist. Zum anderen geht es um das Berliner Fernwärmenetz, derzeit betrieben von einer deutschen Tochterfirma des schwedischen Staatskonzern Vattenfall, der es nun genauso abgeben will wie seine Anteile an der Gasag. In der Vattenfall-Firma war ebenfalls vor über 20 Jahren die Bewag aufgegangen, die lange größtenteils dem Land Berlin gehört hatte.

Beim Einstieg in die Gasag, die das Fernwärmenetz übernehmen soll, geht es um geteiltes Eigentum

Wenn in diesem Fall das Land Berlin Mitgesellschafter von Privatfirmen wird, so fällt das nicht in die Kategorie einer PPP, einer public private partnership, die in den vergangenen Jahren nicht mehr angesagt war. Die Idee einer PPP ist eher ein gemeinsames Projekt, bei dem ein privates Unternehmen beispielsweise ein Gebäude baut, das vom Staat genutzt wird.

Gegenbeispiel Charité

Solch ein Modell war nach langer Pause jüngst erstmals wieder prominent zu vernehmen: Bei der SPD-Fraktionsklausur am 14. und 15. Januar warb eine Charité-Klinikdirektorin als Gast dafür, auf diesem Weg schneller zu einer neuen Kinderklinik zu kommen. Klare Unterstützung erhielt sie dafür von Regierungschefin Giffey, die zugleich SPD-Landeschefin ist.

Statt selbst und deshalb wegen besonderer Vorgaben in doppelt so langer Zeit für 300 bis 400 Millionen Euro zu bauen, soll der Staat nach nur fünf Jahren Bauzeit die Klinik als Mieter für neun Millionen Euro jährlich nutzen. Dagegen regte sich im öffentlichen Teil der Klausur der SPD-Abgeordneten kein Widerspruch.

Beim Einstieg in die Gasag hingegen, die dann das Fernwärmenetz übernehmen soll, geht es um geteiltes Eigentum. Laut Giffey strebt das Land dabei eine Mehrheitsbeteiligung an. Dafür müssten die bisherigen Mitgesellschafter von Vattenfall, die Energiekonzerne Eon und Engie, allerdings dazu bereit sein, ihre Anteile zu verringern. Denn derzeit ist Eon mit knapp 37 Prozent Mehrheitsgesellschafter, während Engie und Vattenfall je rund 31,5 Prozent der Anteile besitzen.

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sonst gelegentlich nicht ohne ideologische Anwandlungen, reagierte am Dienstag nüchtern abwägend auf die Ankündigung aus dem Senat und begrüßte den geplanten Einstieg im Kern. Zwar wäre der Linkspartei eine eigenständige Bewerbung Berlins um das Fernwärmenetz lieber. Doch will sie auch mitgehen, wenn es zumindest gelingt, dem Land Berlin die gesellschaftsrechtliche Mehrheit und die unternehmerische Führung zu sichern. Das soll auch für den Einstieg bei der Gasag gelten.

Eine weitere Bedingung: Das Land soll sich nicht erneut auf Nebenabsprachen mit privaten Partnern einlassen, die wie früher bei den Wasserbetrieben eine Gewinnzusicherung beinhalten. Um sich gegen solche Absprachen zu wehren, muss man allerdings nicht Mitglied der Linkspartei sein – die damaligen Nachteile solcher Konstrukte waren so gravierend, dass sich weder ein Linker noch ein Marktliberaler erneut darauf einlassen sollte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.