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Endspiel der Fußball-WMTriumph der Schönheit

Spaniens Auswahl dominiert das Finale um den WM-Titel und schlägt England mit 1:0. Ihr Passspiel ist dabei eine wahre Augenweide.

Weltmeisterliche Spielerinnentraube: Spaniens Fußballerinnen nach dem Schlusspfiff Foto: Alessandra Tarantino/ap

Es war ein Duell der Systeme, der unterschiedlichen Spielauffassungen, und am Ende stand der Triumph der Schönheit. Spanien ist Fußball-Weltmeister. Mit 1:0 gewann das Kollektiv in den roten Trikots gegen England. Filigrane Technik im Passspiel hatte sich gegen Athletik durchgesetzt. Die spanischen Ideen waren dem englischen Kraftfußball überlegen.

Der Ballbesitzfußball hat in diesen Zeiten, in denen das Spiel gegen den Ball fast schon belächelt worden war, ein Comeback auf der größten Bühne des Fußballs gefeiert. Spanien hat mit dem Ball gewonnen. Und das auch noch hochverdient. „Wir waren heute besser“, sagte die Schützin des einzigen Tors nach dem Spiel. Recht hat sie. Und so ist die Welt zu neuen Weltmeisterinnen gekommen.

Denn das war vor dem Anpfiff des Finales im Stadium Australia von Sydney schon klar. Es würde ein Team den Weltmeistertitel gewinnen, das noch nie zuvor ganz oben gestanden hatte. Doch gewundert hatte sich darüber niemand.

Es standen sich Spielerinnen gegenüber, die in Spanien und England für die besten Klubs Europas spielen. In Ligen, für deren Entwicklung Klubs und Verbände viel unternommen hatten. Viel bringt viel. Und in diesem Fall hat die Fußballentwicklung in den beiden Nationen unterschiedliche Spielstile hervorgebracht. Das spanische war an diesem Tag überlegen.

Logischer Erfolg

Recht ratlos wirkten die Engländerinnen lange Zeit in der ersten Hälfte. Sie hatten sich vorgenommen, die Spanierinnen früh zu stören, den Technikerinnen ihre Körperlichkeit entgegenzustellen. Etwas viel Besseres hätte dieser passsicheren Mannschaft jedoch gar nicht passieren können.

Immer wieder spielten sie sich frei und rannten von links und rechts auf die gegnerische Torauslinie zu. Olga Carmosa war es dann, die in der 29. Minute an der linken Strafraumecke freigespielt worden war. Ihr flacher Schuss ins lange Eck war die logische Folge der spanischen Dominanz im Mittelfeld und viel zu gut für die englische Keeperin Mary Earps.

Ob es Lauren James, die junge Superoffensivkraft vom FC Chelsea, für England würde richten können? Die vor ihrer Roten Karte im Achtelfinale gegen Nigeria so starke Technikerin wurde nach zwei Spielen Sperre von ihrer Trainerin zur zweiten Halbzeit gebracht. Nein. Sie hat das Spiel nicht drehen können, auch wenn man bewundern konnte, was sie am Ball kann.

Spanien dominierte weiter, spielte sich ein ums anderes Mal in den Strafraum, und alle im Stadion hätten es wohl als verdient bezeichnet, wenn Jenni Hermoso den Handelfmeter, der den Spanierinnen in der 70. Minute nach Videobeweis zugesprochen worden war, verwandelt hätte. Hat sie aber nicht. Mary Earps hielt. Und Spanien hielt in der Folge die anrennenden Engländerinnen vom eigenen Strafraum weitgehend fern. Zur Schönheit des Spiels gehört eben auch ein diszipliniertes Abwehrverhalten.

Ob die Spanierinnen nun wegen ihres Trainers Jorge Vilda gewonnen haben oder obwohl der Mann an der Linie stand, gegen den ein Teil des Teams sogar gestreikt hatte, das ist eine der Fragen, die offen bleiben. Nach dem Sieg war die gescheiterte Emanzipation der Fuballerinnen von ihrem verhassten Trainer erst einmal kein Thema mehr. Die Schönheit des Spiels konnte gefeiert werden.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Komisch, bei den Männern hat es lange vor seiner verdienten Mottenkiste nur noch Geraune ausgelöst. In den Vereinsblöcken mühsam einstudierte Ballstafetten und Routinen, es ist Geschmackssache. Dass es sowohl im Halbfnale wie auch im Finale dann aber doch Einzelaktionen nämlich jeweils eines Fernschusses bedurfte (und dann viel Zeitschinderei), zeigt dass die Spielidee auch im Frauenfußball an Grenzen stößt. Schweden fand ein gutes Mittel, da war Spanien für mich unterlegen, und ganz so dominant hab ich sie auch im Finale nicht gesehen. Viel mehr Pässe, ja, aber ich glaube bei relativ ausgeglichenem Ballbesitz, was angesichts der Taktik erstaunlich ist. Kommentatorin Neumann hatte Jospehine Henning als Expertin da auch einmal korrigiert. Bei den Torchancen war es ausgeglichen und dann zählt man den kläglich ausgeführten Strafstoß schon dazu, der zumal ne harte Entscheidung war. Die Engländerinnen fand ich überraschend angriffsfreudig, es wär nur verständlich gewesen das (einmal) vorsichtiger anzugehen, aber dann hätten wir ein anderes Spiel gesehen, ein ziemlich langweiliges. So haben sie viel riskiert und in gewisser Weise für uns (Neutrale) alle verloren, kann man auch so sehen.

  • selbstverständlich „obwohl der Mann an der Linie stand“, die Frauen haben ihr Ding durchgezogen, die sind Profis genug, um sich spieltaktisch abzusprechen und auszurichten. Ich gehe davon aus, dass Frauen ‚die ordnende Hand‘ eines Trainierenden längst nicht so nötig haben, wie die viel stärker von Egoismen geprägten Männermannschaften.

  • Miserable Einschaltquoten. Leider bleibt der Frauenfussball eine Randsportart. Der DFB scheint zur Zeit alles falsch zu machen.

    • @Kristina Ihle:

      In Deutschland wird Fußball auch gesellschafspolitisch gelesen (WM54 als Symbol für das Wirtschaftswunder, das freie Spiel der Wembley-Elf als Sinnbild des "Mehr Demokratie wagen"), dann kann man es auch auf den Frauenfußball übertragen: Deutschland war mal führend, aber wegen der Behäbigkeit der Oberen wird geglaubt, dass es einfach so bleibt, während die Welt sich weiterentwickelt.



      Ähnliches gilt für den Männerfußball: Neue Ideen bei der Nachwuchsförderung werden mit "das hat es früher nicht so gegeben" und "früher hat es doch mit hartem Wettbewerb auch gut funktioniert" abgeblockt.

  • Glückwunsch an die Spanierinnen, haben England die Grenzen aufgezeigt und sind klar das beste Team aktuell.

  • Gewinner ist eindeutig der spanische Verband. Die sind auf ihrer Linie geblieben, während der französische Verband den Spielerinnen nachgegeben hat und mit leeren Händen dasteht. War bei den deutschen Männern in den 70ern und 80ern auch so mit den Reibereien, erfolgreich war man trotzdem.