Ende für Urban Gardening?: Gärtner wollen nicht an Deck
Mitglieder fordern den Erhalt des Urban-Gardening-Projekts Gartendeck auf St. Pauli, doch die Stadt will das Gelände schnellstmöglich mit Wohnungen bebauen.
Das Gartendeck war 2011 im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals von Kampnagel auf dem brachliegenden Gelände in der Großen Freiheit 62-68 entstanden. Ursprünglich war das Urban-Gardening-Projekt auf ein halbes Jahr begrenzt, doch die AnwohnerInnen wollten das Gartendeck erhalten. Jetzt ist das Projekt ernsthaft in Gefahr.
Die Flächen in der Großen Freiheit 58-70 sind Teil des Sanierungsgebiets in St. Pauli. Auf dem Gelände der ehemaligen Fischräucherei und dem angrenzenden Gelände des Gartendecks sind mindestens 40 öffentlich geförderte Wohnungen sowie einige Gewerbeflächen geplant. Die städtische Sprinkenhof GmbH und das Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung haben dafür einen Wettbewerb ausgeschrieben. Laut Ausschreibung soll das Areal „behutsam nachverdichtet“ werden. Fünf Architekturbüros nehmen daran teil. Die Druckerei St. Pauli sowie die Musikclubs Indra und Grünspan sollen dabei erhalten bleiben. 2014 entschied der Sanierungsbeirat, dass auch die Erhaltung des Gartendecks in der Ausschreibung festgeschrieben sein soll.
Die Mitglieder des Gartendeck e.V. haben Sorgen, wie es mit dem Stadtteilprojekt weitergehen soll. „Der ganze Planungsprozess ist sehr undurchsichtig“, sagt Elena, die von Anfang an dabei ist. Sie befürchtet, dass das Gartendeck auf ein Dach umziehen muss. „Wir wollen weiterhin öffentlich sichtbar und begehbar bleiben“, sagt sie. „Auf einem Hausdach bekommt doch niemand mit, dass es uns gibt.“ Zu welchen Konditionen das ehrenamtliche Projekt die Fläche künftig nutzen darf, steht noch nicht fest, dass sie von 1.500 auf bis zu 650 Quadratmeter schrumpfen soll, steht dagegen in der Ausschreibung. „Wir haben das Gefühl, dass der Erhalt des Gartendecks nicht ernsthaft gewollt ist“, sagt sie.
Im Sanierungsbeirat Wohlwillstraße haben die Gartendeck-Macher deswegen eine Beiratsempfehlung zum Stopp des Bauvorhabens Große Freiheit 58-70 erwirkt. Sie wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Das Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung hat sich im Stadtplanungsausschuss aber klar gegen einen Stopp ausgesprochen.
Das Wettbewerbsverfahren wird wohl fortgesetzt und soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Die Mitglieder vom Gartendeck fühlen sich übergangen. „St. Pauli darf nicht weiter verdichtet werden“, finden sie. Sie fordern eine umfangreiche Beteiligung der AnwohnerInnen im Planungsverfahren. „Wir sind ein offenes Projekt. Es geht uns darum, einen Ort zu schaffen, den alle nutzen und sich beteiligen können“, sagen sie. Der zunehmende Tourismus verstärke den Wunsch nach Frei- und Rückzugsräumen.
Nun fordern die GärtnerInnen eine schnelle Entscheidung, was mit dem Gelände passieren soll. „Wir brauchen eine Perspektive und Planungssicherheit“, fordert die Gruppe, die aus 15 bis 20 Aktiven besteht. Doch viel mehr Menschen kommen regelmäßig, um Blumen zu pflanzen und Unkraut zu jäten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid