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Ende des UKW-Radios in NorwegenStille unter der Mitternachtssonne

Norwegen setzt als weltweit erstes Land ausschließlich auf Digitalradio und schaltet alle UKW-Sender ab. Das kann teuer werden für Radiohörer.

UKW-Radios gehören in Norwegen ab jetzt der Vergangenheit an Foto: dpa

Stockholm taz | NorwegenurlauberInnen seien vorgewarnt: Wenn im Sommer bei der Reise zur Mitternachtssonne den Lautsprechern ihres Autoradios nur ein gleichmäßiges Rauschen zu entlocken sein wird, ganz gleich, wie oft sie das UKW-Frequenzband von vorne bis hinten durchkurbeln, dann ist nicht der Apparat kaputt.

Sie gehören nur zur Mehrheit der Autobesitzer, deren Fahrzeug nicht über einen Digitalradio-tauglichen Empfänger verfügt. Und ohne den wird Norwegen in diesem Jahr zu einer Radiowüste.

Es ist nämlich das weltweit erste Land, in dem das UKW-Netz gänzlich abgeschaltet und nur noch digitales Radio – Format: DAB+ – ausgestrahlt werden wird. Am Mittwoch geht’s los. Die Region Nordland macht den Anfang. In den Monaten darauf sind schrittweise die restlichen Landesteile dran. Und am 13. Dezember verstummen an der Barentsmeer-Küste die letzten UKW-Sender.

Norwegen macht damit den Schritt, der in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten eigentlich schon seit Jahren Realität sein sollte. „Da der digitale Rundfunk das Frequenzspektrum effizienter nutzt, würde dadurch auch Frequenzkapazität für andere Nutzungen frei, etwa für neue Rundfunk- und Mobilfunkdienste“, hatte die EU-Kommission 2005 argumentiert.

Das werde „Innovation und Wachstum in den Bereichen Fernsehen und elektronische Kommunikation anstoßen“. Alle Mitgliedsstaaten sollten den Übergang zum digitalen Rundfunk und die Abschaltung des analogen terrestrischen Rundfunks bis spätestens 2012 vollzogen haben.

Keine lückenlose Abdeckung

Im Bundestag war die Frist zur UKW-Abschaltung zunächst auf 2015 vertagt und 2011 bei einer Neufassung das Telekommunikationsgesetzes ohne neue Fristsetzung auf die lange Bank geschoben worden.

Wir müssen eben unsere Pflicht tun. Und die Experten sagen ja, dass alle davon profitieren werden

Andere Länder waren konsequenter. In Schweden, wo das UKW-Netz 2022 verstummen sollte, beschloss die Regierung Mitte 2015, alle Vorbereitungen zu einem solchen Übergang zu stoppen. Aufgeschreckt von einem Gutachten, in dem es von Nachteilen und Unklarheiten nur so wimmelte, verbot sich nach Einschätzung der grünen Kultusministerin Alice Bah Kuhnke eine Fortführung der Umstiegspläne.

Die Hauptargumente: Selbst beim weitmöglichst denkbaren Ausbauszenario für ein DAB-Netz gebe es keine Sicherheit, dass das schwedische Festland samt Inseln und Küstengewässern empfangsmäßig lückenlos abgedeckt werden könnte.

In der Radio- und Telekombranche gebe es keine Einigkeit darüber, ob beim Radioempfang der DAB-Technik wirklich die Zukunft gehören werde, und außerdem fehle es an Akzeptanz in der Bevölkerung.

Weiße Flecken im Straßennetz

Auch in Norwegen fehlt diese Akzeptanz. Zwei Drittel der Bevölkerung sind gegen die UKW-Abschaltung, und Mitte Dezember gab es im Parlament einen letzten Versuch, diese doch noch zu stoppen. Selbst ihre norwegische Kollegin, die Kultusministerin Linda Hofstad Helleland, machte kein Hehl daraus, dass sie über eine solche Entwicklung nicht unglücklich gewesen wäre.

„Wenn die Politik technische Weichenstellungen vorgenommen hat, war das in der Vergangenheit ja nie so wirklich gelungen“, gestand sie in der vergangenen Woche dem Osloer Dagbladet: „Aber wenn etwas umgesetzt werden soll, was vor 16 Jahren beschlossen wurde, kann man nicht einfach in letzter Minute abspringen.“

Und sie versuchte schon einmal ihre Hände in Unschuld zu waschen: „Wir müssen eben unsere Pflicht tun. Und die Experten sagen ja, dass alle davon profitieren werden.“

Amtliche Reichweitemessungen sollen eine Abdeckung von 99,7 Prozent der „bewohnten Gebiete“ Norwegens durch die Digitalsender ergeben haben, doch Berufskraftfahrer melden bereits viele weiße Flecken im Straßennetz, wo DAB-Empfang fehlt.

Fischer und Freizeitskipper kritisieren, man setze die Sicherheit aufs Spiel: In Zukunft werde man in großen Empfanglöchern keinen Wetterbericht mehr hören können. Und die staatliche Bereitschaftsbehörde warnte, dass über leicht zu hackende DAB-Radios ein Zugriff auf das gesamte Elektroniksystem eines Autos möglich werden könne.

Der Wechsel kann teuer werden

Immerhin kann sich die Elektronikbranche über einen Umsatzboom freuen. Und Autowerkstätten. Ende Dezember waren erst in 28 Prozent der zugelassenen Kraftfahrzeuge die Radios DAB-tauglich.

Der Umbau kann richtig teuer werden. Zwar gibt es als akzeptabel getestete Adapter ab rund 140 Euro, doch wer sein werkseitig eingebautes Multimediasystem gegen ein digitaltaugliches wechseln will, muss je nach Modell bis zu 1.300 Euro hinblättern.

Nur noch für den Recyclinghof taugen 200.000 DAB-Radios, die sich ihre Besitzer schon vor Jahren voreilig zulegten, die nun aber das Format DAB+ nicht beherrschen.

Und geschätzt 5 Millionen ausgemusterte UKW-Empfänger? Die könne man ja bei der nächsten Fahrt über die Grenze mitnehmen und den NachbarInnen in Schweden oder Finnland schenken, schlug dieser Tage die Stortingabgeordnete Anne Tingelstad vor.

Die genaue Uhrzeit, die die Techniker für den Beginn der UKW-Abschaltung am 11.1. gewählt haben: 11.11 Uhr.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Was den unbedarften Bürgern verschwiegen wird: die Ausbreitungsbedingungen eines analogen oder eines digitalen Signals sind absolut gleich. Es handelt sich hier um elektromagnetische Wellen. Der Informationsinhalt wird der Radiowelle nur auf eine andere Art und Weise zugeführt. Es ist ein Täuschung, ja betrügerischer Vorsatz, wenn man dem Kunden frei werdende Frequenzen vorspiegelt. Diese Frequenzen sind nämlich schon wieder vergeben für eine neue Form des Datenfunks.

     

    Im Gegenteil besitzt ein digitales Signal eine höhere Bandbreite, denn je höher die Qualität der Übertragung desto größer wird die Bandbreite. Was nur wegfällt, das sind die vielen Umsetzer, die Norwegen für das UKW-Programm braucht, weil diese Wellen sich quasioptisch ausbreiten und in den Fjorden nicht zu empfangen sind, wenn nicht ein Sender auf dem nahen Berg steht. Bei DAB+ reiche eine geringere Sendeleistung aus, so wird argumentiert. Aber was geschieht mit Interferenzen, die in diesem Gelände zwangsweise entstehen? Sie stören den digitalen Empfang ebenfalls. Also ergibt sich kein Gewinn, sondern nur ein Verlust für den Bürger.

     

    Gewinn machen die Elektronikkonzerne, weil sie das Spiel "Glühlampe" wiederholen. Diese Betrüger sind Wiederholungstäter.

  • Und wieder mal ein Beispiel, wie angeblich demokratische Politiker Entscheidungen treffen, die den betroffenen Bürgern extrem zuwiderlaufen.

     

    Das scheint ja immer mehr in Mode zu kommen. Und dann wundern sich die gleichen Politiker über Politikverdrossenheit......

    • @Urmel:

      Manchmal muss Politik auch voraus schauen, denn das DAB+-Format ist ziemlich genial. Wenn dem nicht so wäre, würde die Schweiz nicht auch derzeit mehr und mehr auf DAB+ umstellen. Ich möchte jedenfalls meine DAB-Radios nicht mehr missen, da der Empfang deutlich besser ist. Und: DAB+-Adapter fürs Auto gibt es auch schon bis 100,-- € und funktionieren tadellos. Dass "der Bürger" das angeblich nicht will oder nicht gut findet, ist angesichts der steigenden Verkaufszahlen Jahr für Jahr ein Märchen.

      • @Bertl:

        Ich habe ja gar kein Problem damit, dass Sie per DAB empfangen. Nur, dass man in Norwegen mit der gewählten Vorgehensweise Millionen von UKW-Nutzern vor den Kopf stößt, erscheint mir ziemlich problematisch. Mal sehen, wie dort der mündige Bürger bei der nächsten Wahl reagiert. Zwangsbeglückungen haben bisher selten funktioniert.

  • Das Radio abgeschafft. Irgendwie schade, vor allem für Menschen auf See und in abgelegenen Gegenden ohne Netzabdeckung.

  • Das Digtiale Radio ist eine Totgeburt, die seit Jahrzehnten künstlich am Leben erhalten wird. Der Online-Radioempfang wird es auf absehbare Zeit überflügeln. Für DABplus sollen bis 2025 in Deutschland insgesamt rund eine Milliarde Euro investiert werden - bezahlen soll das aus der Rundfunkabgabe und Steuergeldern. Wer profitiert? Die Radiosender, die ihre Technikkosten senken können. Siehe auch: https://medienfresser.blogspot.de/2016/12/digitalradio-privatsender-wollen-500.html