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Ende des Krieges um KhartumDer Sieg von Sudans Militär bringt dem Land keinen Frieden

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die RSF-Miliz ist aus Khartum vertrieben und das Militär zurück an der Macht. Das bedeutet jedoch weder Frieden noch Freiheit für die Sudanesen.

Fast zwei Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs im Sudan hat das Militär nach Regierungsangaben die Hauptstadt Khartum zurückerobert Foto: ap/dpa

S udans Armee hat die volle Kontrolle über Khartum wiederhergestellt, knapp zwei Jahre nach Kriegsbeginn sind die Kämpfe um die Hauptstadt vorbei. „Khartum ist frei!“, rief der siegreiche Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan, als er am Mittwochabend in seinen Präsidentenpalast zurückkehrte. Am Donnerstag bestätigte die Armee, die letzten Reste der feindlichen paramilitärischen Miliz RSF (Rapid Support Forces) seien aus Khartum vertrieben.

Das ist vor allem für die Menschen von Khartum eine gute Nachricht – mehrere Millionen mussten im April 2023 Hals über Kopf die Flucht vor den Gefechten mit schweren Waffen mitten in ihren Wohnvierteln ergreifen. Andere blieben und überlebten irgendwie den täglichen Bombenterror, den Beschuss und die allgemeine Unsicherheit, in der nichts mehr funktionierte.

Viele Sudanesen jubeln jetzt – aber nicht, weil sie die Armee lieben

Erst allmählich wird das Ausmaß des Grauens klar, das dieser Krieg in Khartum hinterlässt. Es sind nicht nur die Zerstörungen, der Staats- und Wirtschaftskollaps. Es ist auch der Zusammenbruch jeglicher Ordnung, die Willkür marodierender Bewaffneter, das Verschwinden von Menschen an Straßensperren, das Netzwerk geheimer Folterkeller und Haftanstalten, für das vor allem – aber nicht nur – die RSF-Miliz verantwortlich gewesen zu sein scheint.

Jetzt ist die RSF verjagt, das Militär hat wieder die alleinige Macht. Viele Sudanesen jubeln – aber nicht, weil sie die Armee lieben. Die RSF verabscheuen sie einfach noch mehr. Sie sagen: Mit der Militärdiktatur sind wir aufgewachsen, die kennen wir, damit können wir irgendwie umgehen – mit dem Milizenterror aber war kein Leben mehr möglich. Und dass die Kämpfe enden, ist ein Wert an sich. Illusionen darf sich jetzt niemand machen. „Khartum ist frei“ gilt nur für die Armee, nicht für die Menschen.

Krieg in Sudan

In Sudan liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz (Rapid Support Forces) seit dem 15. April 2023 Kämpfe im ganzen Land. Der Machtkampf setzt den Bemühungen zur Demokratisierung Sudans vorläufig ein Ende.

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Sudans Militärführung wird jetzt in Khartum die Staatlichkeit wiederherstellen. In Form eines straffen Militärregimes wird sie weit draußen in den Wüstenprovinzen weiter einen unbarmherzigen Krieg gegen „Terrorgruppen“ führen, also die RSF und diverse Rebellen. Erst vor wenigen Tagen tötete die Armee bei einem Luftangriff auf einen Markt in Darfur zwischen 270 und 400 Menschen. Insbesondere in Darfur dürfte der Krieg noch lange nicht seinen Tiefpunkt erreicht haben.

In Khartum wird es nun so aussehen, als sei Sudan als Staat wieder da. Aber Sudan als Staat ist historisch immer eine Mordmaschine gewesen, die mit brutaler Gewalt jeden Gegner niederkämpft und wo hinter der Fassade der Macht nacktes Elend herrscht. Die todesmutige Demokratiebewegung Sudans, die an diesen Zuständen einst etwas ändern wollte, war das erste Opfer des Krieges zwischen Sudans Warlords.

Dass jetzt mit Staats- und Armeechef al-Burhan einer der Warlords obsiegt hat, eröffnet dem Land noch keinen Weg der Rückkehr zur Demokratie. Diese Arbeit beginnt nun wieder von vorn. Aber zumindest kann sie nun vielleicht beginnen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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