Ende des Gipfeltreffens: Nato kooperiert mit Russland
Das Gipfeltreffen der Militärallianz in Lissabon endet mit Absichtserklärungen und Vereinbarungen zur Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr und in Afghanistan
Zum wiederholten Mal seit Ende des Kalten Krieges vor 20 Jahren haben die Nato und Russland den Beginn einer "neuen Partnerschaft" verkündet. Auf dem am Samstag beendeten Gipfel der Allianz in Lissabon, an dem auch Russlands Präsident Dmitri Medwedjew zeitweise teilnahm, vereinbarten beide Seiten "Kooperation" bei der Abwehr von Raketen aus Drittländern sowie bei der Bekämpfung der Piraterie und des internationalen Drogenhandels. Zudem soll der Nachschub für die Nato-Truppen in Afghanistan über russisches Territorium erleichtert werden. Auch der Abzug ihrer derzeit rund 130.000 Soldaten vom Hindukusch, den die Nato nach einem in Lissabon vereinbarten Zeitplan nächstes Jahr beginnen und bis 2014 abschließen will, soll im Wesentlichen über russisches Territorium erfolgen.
"Zum ersten Mal in der Geschichte werden die Nato-Länder und Russland kooperieren, um sich zu verteidigen", erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mit Blick auf die von ihm und Medwedjew unterzeichnete Absprache zur Raketenabwehr. Konkret sieht diese allerdings zunächst lediglich vor, dass die Nato und Russland die Bedrohung durch Raketen gemeinsam analysieren und "möglichst bis Juni 2011 die Rahmenbedingungen für eine Kooperation ausloten". Medwedjew forderte, wenn überhaupt, könne dies nur eine "gleichberechtigte Partnerschaft auf Augenhöhe" sein. "Entweder gibt es einen völligen Informationsaustausch, oder wir machen nicht mit", betonte der russische Präsident. Ein von der Nato und Russland gemeinsam betriebenes Raketenabwehrsystem schloss Medwedjew ebenso aus wie eine Beteiligung Russlands als Juniorpartner an dem von der Nato geplanten System.
Die 28 Staats-und Regierungschefs der Allianz hatten am ersten Gipfeltag beschlossen, bis 2020 einen Raketenabwehrschirm über fast dem gesamten nordatlantischen Vertragsgebiet zu errichten. Die Raketenabwehr ist der Kern des beim Gipfel veröffentlichten neuen "Strategiekonzepts" der Nato. Darin wird der "Kampf gegen den Terrorismus" und zur Abwehr "neuartige Bedrohungen" wie Hackerattacken ebenso zur künftigen Aufgabe erklärt wie die Sicherung von Handelsrouten und der Energieversorgung.
Die Vereinbarung der Nato mit Russland zu Afghanistan sieht vor, dass Moskau künftig auch den Transport sogenannter nichttödlicher Güter über russische Transitwege gestattet. Bislang war nur der Transport unbewaffnete Soldaten oder von Lebensmitteln und anderen zivilen Waren erlaubt. Künftig dürfen auch gepanzerte Nato-Fahrzeuge Russland passieren - allerdings nur auf dem Schienenweg. Den Transport von Panzern, Artilleriegeschützen, Raketenwerfern und scharfer Munition lässt Russland weiterhin nicht zu. Trotz der hohen Transitgebühren, die die Nato für diese Transporte an Moskau zahlen muss, ist der Nachschub über russisches Territorium nach Afghanistan immer noch kostengünstiger als die Luftfracht oder der Weg über die Khaiberpass-Route, die wegen verstärkter Angriffe der Taliban zudem immer unsicherer wird.
Die neue Vereinbarung gilt auch für den Abzug der Nato-Kampftruppen. Die USA sind entschlossen, mit dem Abzug ihrer rund 100.000 Soldaten bereits in der ersten Hälfte 2011 zu beginnen. Bis zu Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs Anfang 2012 soll nach den Vorstellungen der Obama-Administration bereits der Großteil der GIs wieder zu Hause sein. Der Abzug der knapp 5.500 Bundeswehrsoldaten soll zwar erst 2012 beginnen. Aber auch die Regierung Merkel/Westerwelle will zumindest den größten Teil des deutschen Kontingents rechzeitig vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 aus Afghanistan abziehen. Nach dem in Lissabon vereinbarten Plan soll der Abzug von Nato-Soldaten allerdings nur aus Regionen erfolgen, in denen zuvor afghanische Sicherheitskräfte "die Verantwortung übernommen haben".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht