Empörung über Nacktscanner: Striptease am Flughafen
Prothesen, Brüste, Hoden - die von der EU-Kommission zugelassenen Nacktscanner machen bei Kontrollen am Flughafen alles sichtbar. Die deutsche Polizei testet die Geräte schon.
Die EU-Pläne zur Zulassung von Nacktscannern an europäischen Flughäfen haben eine Welle der Empörung ausgelöst.
Das Europäische Parlament forderte die Kommission am Donnerstag auf, sie möge bitte klären, ob die Durchleuchtungsgeräte die Grundrechte der Bürger verletzen. Zudem solle die Kommission prüfen, ob die elektromagnetischen Wellen der Gesundheit schaden. Auch in der Bundespolitik regte sich Protest.
Die EU-Kommission hatte durch die Änderung einer Verwaltungsvorschrift den Einsatz der Nacktscanner an EU-Flughäfen erlaubt. Die telefonzellengroßen und rund 100.000 Euro teuren Geräte sollen ab 2010 im großen Stil zum Einsatz kommen. Sie können helfen, nichtmetallische Waffen wie Keramikmesser zu entdecken.
Statt per Hand abgetastet zu werden, treten die bekleideten Fluggäste in den Apparat ein, heben die Arme und werden gescannt. Weil die "Millimeterwellen" die Kleidung durchdringen, sehen Sicherheitsleute auf einem Bildschirm eine dreidimensionale, schwarz-weiße Abbildung des unbekleideten Menschen - ein Nacktbild, inklusive der Genitalien. In Testläufen in den USA und Australien saßen die Kontrolleure in einem separaten Raum und sahen den Menschen zum Bild nicht, zudem wurde der Gesichtsbereich der Aufnahme verpixelt. Auch Amsterdam und Helsinki testeten die Geräte. In London wurde der Betrieb nach Protesten abgebrochen. In Zürich, wo ein Testlauf ansteht, schäumen Bürgerrechtler über den "massiven Eingriff in die Intimsphäre".
"Man fragt sich schon, ob man noch ein Reisender ist oder sich in einem Hochsicherheitstrakt befindet", sagte Alexander Alvaro, deutscher FDP-Politiker und innenpolitischer Sprecher der Liberalen im Europaparlament. "Das ist eine neue Qualität." Die EU-Abgeordneten sind sauer, dass die Kommission das Vorhaben still und leise in eine Verwaltungsvorschrift schrieb, sich um Grundrechte und Gesundheitsrisiken wenig Gedanken machte - und die Abgeordneten zu dem heiklen Thema nicht konsultierte. "Die Kommission ist nicht grundrechtefeindlich", sagte Alvaro, "aber sie ist so lange auf dem Auge blind, bis man ihr gewaltsam das Augenlid aufklappt." Von "tiefen Eingriffen in Grundrechte" sprechen die europäischen Grünen. "Ob diesem Eingriff ein tatsächlicher Sicherheitsgewinn gegenübersteht, wurde offensichtlich nicht einmal untersucht."
Auch Bundespolitiker protestierten. "Jeder ist für sinnvolle Kontrollen an Flughäfen, aber was zu weit geht, geht zu weit", kritisierte FDP-Innenexperte Max Stadler. "Diese Methode darf in Deutschland nicht eingeführt werden." Auch Politiker von SPD und Linker wandten sich gegen die Nacktscanner.
Unterdessen prüft die für die Flughafensicherheit zuständige Bundespolizei schon, ob die Geräte auch in Deutschland eingesetzt werden können. "Wir werden in einem Labor alle Aspekte prüfen und schauen, ob die Technologie unseren Ansprüchen genügt", sagte ein Sprecher am Donnerstag. Auch rechtliche und gesundheitliche Fragen würden geprüft, aber das werde "sicherlich auf anderer Ebene geschehen". Dieser "politische Prozess" fände vorrangig in Wolfgang Schäubles (CDU) Innenministerium statt, zu dessen Geschäftsbereich die Bundespolizei gehört.
Der für Flughäfen zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani vermutet in einem der taz vorliegenden internen Schreiben, viele Bürger hätten kein Problem mit den Nacktbildern. Ohne Nennung einer Quelle schreibt er, dass Fluggäste, vor die Wahl gestellt zwischen üblicher Abtastung und Scanner, "eine klare Vorliebe" für die Scanner gezeigt hätten. Weiter heißt es, der Scan solle nicht zur Pflicht für alle Passagiere werden. Am 6. November veranstaltet die Kommission eine Anhörung zum Thema.
Leser*innenkommentare
Loki
Gast
"Ohne Nennung einer Quelle schreibt er, dass Fluggäste, vor die Wahl gestellt zwischen üblicher Abtastung und Scanner, 'eine klare Vorliebe' für die Scanner gezeigt hätten." Dann dürfte es auch nicht mehr lange dauern, und es heißt (wieder): "Ohne Nennung einer Quelle schreibt er, dass Behinderte, vor die Wahl gestellt zwischen üblicher Heimunterbringung und Gaskammer, 'eine klare Vorliebe' für die Gaskammer gezeigt hätten."
Eurydema
Gast
@Robert:
Ja, da haben Sie recht, es gibt in der Medizintechnik auch eine aktive Variante, die z.B. zum Aufspüren von Tumoren benutzt werden soll.
Der am Flughafen verwendeten Scanner, zumindest die Geräte im Testbetrieb, sind nach meinen Informationen jedoch alle passiv.
Pro Scanner
Gast
Also ich kenne diesen Scanner schon länger. Dieser wird in Moskau am Flughafen Domodedevo schon eingesetzt. Endlich muß man keine Schuhe mehr ausziehen und es geht super schnell. Da keiner auf die Bildschirme vom Zoll sehen kann, ist es auch egal, ob ich nackt gesehen werde. Außerdem, mehr wie Umrisse sind doch eh nicht zu erkennen. Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Hätte man die Scanner aufgestellt, ohne dem riesen Geschrei, keiner hätte was bemerkt. Und wenn ich nichts zu verbergen habe, dann brauche ich auch keine Angst davor haben. Ich schmuggel nicht ins Flugzeug.
Isolde
Gast
Leute, was regt ihr euch eigentlich alle so auf??
Es ist Erntezeit. Und es wird nur das geerntet, was zuvor auch gesäet wurden ist.
Es ist doch immer das selbe. Man beobachtet jahrelang wie stinkender Abfall unter der Erde vergraben wird und am Ende wundert man sich dann auch noch, dass es zu stinken anfängt.
Vielleicht beginnt es bald zu dämmern in den vielen Köpfen in Deutschland. Und wenn nicht, dann wird in einem Jahr geerntet, was man heute pflanzt. Wir wissen alle, was das ist. Das Ende der Demoktarie nach der nächsten Wahl.
Fischkopp
Gast
Mal ehrlich: mir ist es lieber, dass sich irgendein Beamter mich nackt sehen kann, als dass ein potentieller Verbrecher/Terrorist eine Waffe an Bord eines Flugzeugs schmuggelt!
Ausserdem zwingt einen keiner zu fliegen, wenn einem diese Prozedur peinlich ist.
Robert Risack
Gast
@Eurydema
Es gibt beide Varianten: passiv und aktiv.
Den genaue Unterschied zwischen den beiden Verfahren bzgl. verwendete Strahlen und Bildqualität kenne ich leider nicht.
[Mehr unter telepolis.de]
Norbert Masson
Gast
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" Artikel 1 GG.
Auf diesen Grundsatz sind unsere Politiker und Staatsdiener (wie z.B. Sicherheitsbehörden und deren nachgeordnete Helfer) verpflichtet. Nackt ausziehen bei Kontrollen und sei es digital, verstößt eindeutig dagegen. Wer so gegen Bürger vorgeht, zeigt eindeutig wes Geistes Kind er ist. Er will keinen Schutz für Bürger, er will den Bürger als Leibeigenen!
Über die Möglichkeiten die sich undemokratische EU-Diktatoren und Leute wie Innenminister Schäuble in die Gesetze schreiben wollen, hätte sich Erich Mielke, DDR, gefreut. Es wird einem Angst und Bang, wenn die selben Leute auch noch Militär im inneren einsetzen wollen.
Ich komme immer mehr zur Überzeugung das wir in diesem Land (in der EU sowie so) einen Demokratie Mangel haben. Nehmen wir endlich unsere Verfassung und die Menschenrechte ernst und handeln. Nächtes Jahr sind wieder Wahlen, entfernen wir diese Undemokraten und Menschenverächter aus ihren Amts Sesseln und wählen bessere Leute.
Wir haben es in der Hand.
Norbert Masson
vic
Gast
Abgehört, gefilmt, bespitzelt, der Privatsphäre der eigenen Wohnung beraubt, den PC manipuliert, und nun auch noch ganzkörpergescannt. Scheiß auf die Menschenwürde, auf Persönlichkeitsrechte, auf gesundheitliche Risiken.
Wenn wir schon pauschal als gefährliche Individuen stigmatisiert werden, sollten wir uns langsam auch so verhalten.
...der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht...
Steffendix
Gast
Jeden Tag eine neue Meldung, über die sich nach und nach auflösenden Rechte und Freiheiten der Bürger. Wie lange lassen wir uns das noch gefallen? Terror hin Terror her, "Es Nervt"!
Nationen werden zu Gefängnissen und die Bürger zu deren Insassen. Weltweit formieren sich seit Jahren Institutionen, die das Netz enger ziehen.
Unter dem Deckmantel der "Terror Abwehr", werden terroristische Maßnahmen von Seiten des Staates gegen dessen Bürger angestrengt und trotz massiver Proteste auch durchgesetzt.
Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, Abhörmassnahmen, Biometrische Daten, Nacktscanner und vieles mehr. Hinzu kommt die Debatte um die Bundeswehr im Innern, ich finde es reicht!
Es geht um die neue Weltordnung und deren Umsetzung. Die Karten werden nach und nach aufgedeckt, doch die Gewinner standen schon längst fest. Doch in diesem Spiel sind es keine gezinkten Karten, sondern eine uns implizierte, gezinkte Wahrnehmung. Denn ohne diese Wahrnehmung wären wir Frei.
Die größte Bombe, die uns bedroht, ist die aus Angst gebaute und uns implantierte.
Sie trägt den Namen Sicherheit.
ponce45
Gast
Aufruf zur Alternative;
NICHT MEHR FLIEGEN!
Spart CO 2.
NEIN
Gast
Ein ganz klarer Eingriff in die Grundrechte des Menschen. Zuerst kam der gläserne Bürger und nun der nackte Büger. Wo soll das alles nur hinführen?
Eurydema
Gast
Zitat: "Weil die "Millimeterwellen" die Kleidung durchdringen, sehen Sicherheitsleute auf einem Bildschirm eine dreidimensionale, schwarz-weiße Abbildung des unbekleideten Menschen [...]"
Vielleicht sollte man das an dieser Stelle klarstellen: Die besagten "Milimeterwellen" (= Terahertzstrahlung) werden vom Menschen selber produziert und emittiert, genau so wie Infrarotwellen. Der Scanner ist ein passives Gerät, daß eine Aufnahme dieser Strahlen macht, also ähnlich wie eine normale digitale Photokamera, nur daß der Sensor in einem anderen Frequenzbereich empfindlich ist.
In dem Artikel wird allerdings auf diese Weise suggeriert, der Körper werde mit diesen Straheln "beschossen". Das ist nicht der Fall.
Das Verfahren ist somit völlig unbedenklich.